Noch bis zum 26. Juni zeigt die Ausstellung “100 beste Plakate” in der Kunstbibliothek eine Auswahl an Grafikdesign und Plakatkunst aus dem deutschsprachigen Raum. Wir präsentieren euch 10 Plakate, die nur über Schrift funktionieren.
Die Kopfhörer geben den Hinweis: Es handelt sich bei dem Entwurf von Erich Brechbühl und Kim Migliore um ein Plakat für eine Kopfhörerparty – im Pool des ehemaligen städtischen Hallenbads der Stadt Luzern.
Wer kann’s lesen? Bei diesem Entwurf, ebenfalls von Erich Brechbühl, steht das Bergmassiv „Pilatus“ im Mittelpunkt. Das Plakat entstand als Beitrag zur Initiative des Vereins Weltformat für neue Plakate zum Thema touristischer Ziele in der Zentralschweiz und wurde in einer Ausstellung gemeinsam mit allen so entstandenen Plakaten im Verkehrshaus Luzern gezeigt.
Patrik Ferrarelli nahm an einem interdisziplinärenWorkshop des Master of Arts in Design an der Zürcher Hochschule der Künste teil, der den Teilnehmern wechselnde, einschränkende Regeln auferlegte, um ihre Kreativität herauszufordern. Zwar waren die Einschränkungen nicht schriftlich, doch Ferrarelli nahm’s wörtlich und machte sie buchstäblich zum Inhalt seines Plakatentwurfs.
Auch Ollie Schaich und Ruedi Zürcher (Bureau Collective, St. Gallen) nahmen am Wettbewerb des Vereins Weltformat für neue Plakate zu touristischen Zielen in der Zentralschweiz teil und widmeten sich unter Verwendung eines Fotos von Charles Negre der Region Andermatt.
Robin Weißenborn (Weimar) bewarb mit diesem Plakat aus einer Serie von fünf Arbeiten den Vortrag des schwedischen Architekten Arrhov Frick in der studentisch initiierten Architekturvortragsreihe „Horizonte“ in Weimar.
»Nochmal« ist ein Manifest der Universitäten, an denen Gestaltung gelehrt wird. Es greift die Aspekte des Erlernens und Praktizierens und deren ständige Wiederholung auf. Das Plakat entstand im Rahmen eines Workshops mit Ludovic Balland an der Universität der Künste Berlin.
Konzert, die zweite: Niklaus Troxler (Willisau) gestaltete für einen Gig der Jazz-Musiker Jürg Wickihalder, Barry Guy und Lucas Niggli im „Bau 4“ in Altbüron, Schweiz. Wie viele Musikfreunde aufgrund des Plakates zum Konzert gefunden haben, ist nicht überliefert.
Es ist gar nicht so leicht, beim Entwurf von Philipp Becker (Stuttgart) den Überblick zu behalten. Kleiner Tipp: es geht um das 2. Jazz & Pop-Festival der Musikhochschule Stuttgart.
Junge Studierende der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW Basel, Institut Visuelle
Kommunikation, setzten sich im Fach „Imagination“ mit ihrer Welt von morgen auseinander.
Venesa Sadrijaj (Basel) entwarf das Plakat „Arrival City“, das vermutlich auf das gleichnamige Buch des kanadischen Autors Doug Saunders von 2011 anspielt. Darin skizziert er, wie eine weltweite Migrationsbewegung in die Städte unsere Zukunft verändern wird.
Die Reihe “100 Beste Plakate” wird vom 100 Beste Plakate e.V. ausgerichtet. Die 15. Ausgabe findet vom 17. bis 26. Juni 2016 im Kulturforum statt, ab der Eröffnung werden alle 100 Plakate online vorgestellt. Nach der Auftaktausstellung in Berlin wird die Ausstellung in Wien, Nürnberg, La Chaux de Fonds, Luzern, Dornbirn, Essen und Seoul gezeigt.
In dem Projekt “Eine Station vor Berlin” dokumentiert der Fotograf Carlos Collado, unterstützt von der Gemäldegalerie und dem Instituto Cervantes Berlin, die Reise der Barock-Skulpturen aus dem spanischen Valladolid nach Berlin zur Ausstellung “El Siglo de Oro. Die Ära Velazquez”, die ab dem 1. Juli zu sehen ist. Wir zeigen einige Eindrücke von den Reisevorbereitungen der Kunstwerke.
Eine Station vor Berlin – A Project by Carlos Collado in collaboration with the Gemäldegalerie and the Instituto Cervantes BerlinEine Station vor Berlin – A Project by Carlos Collado in collaboration with the Gemäldegalerie and the Instituto Cervantes BerlinEine Station vor Berlin – A Project by Carlos Collado in collaboration with the Gemäldegalerie and the Instituto Cervantes BerlinEine Station vor Berlin – A Project by Carlos Collado in collaboration with the Gemäldegalerie and the Instituto Cervantes BerlinEine Station vor Berlin – A Project by Carlos Collado in collaboration with the Gemäldegalerie and the Instituto Cervantes BerlinEine Station vor Berlin – A Project by Carlos Collado in collaboration with the Gemäldegalerie and the Instituto Cervantes BerlinEine Station vor Berlin – A Project by Carlos Collado in collaboration with the Gemäldegalerie and the Instituto Cervantes BerlinEine Station vor Berlin – A Project by Carlos Collado in collaboration with the Gemäldegalerie and the Instituto Cervantes BerlinEine Station vor Berlin – A Project by Carlos Collado in collaboration with the Gemäldegalerie and the Instituto Cervantes BerlinEine Station vor Berlin – A Project by Carlos Collado in collaboration with the Gemäldegalerie and the Instituto Cervantes BerlinEine Station vor Berlin – A Project by Carlos Collado in collaboration with the Gemäldegalerie and the Instituto Cervantes BerlinEine Station vor Berlin – A Project by Carlos Collado in collaboration with the Gemäldegalerie and the Instituto Cervantes Berlin
Die hier beginnenden Blogeinträge sind der Versuch, in den kommenden Wochen in loser Folge über die Entstehung der Ausstellung “Lob der Guten Herrschaft. Die Lackkunst des Gérard Dagly” in Schloss Köpenick zu berichten.
Das Schöne an meinem Beruf als Kurator ist die Möglichkeit – oft auch die Notwendigkeit – mich immer wieder von neuem mit den unterschiedlichsten Kunstwerken aus unserer riesigen Sammlung zu beschäftigen. Das führt regelmäßig zum Staunen über die vorzügliche Qualität der handwerklichen und künstlerischen Ausführung oder über die seltenen und heute oft unbekannten Materialien und Techniken. Obwohl wir besonders bei den Möbeln meistens kaum etwas über die Hersteller oder auch die ersten Eigentümer wissen, kommen besonders bei qualitätsvollen Objekten oft binnen Kürze die erstaunlichsten Geschichten zum Vorschein.
Am Anfang standen die ungeahnte Wiedergeburt eines Möbels und die Begeisterung für die Lackkunst. Dieser Schrank zur Aufbewahrung von Münzen und Medaillen gehörte zwar schon lange zu den prominenteren Stücken der Sammlung des Kunstgewerbemuseums, aber ich habe ihn für mich erst 2003 entdeckt. Damals arbeiteten wir für die Wiedereröffnung des Kunstgewerbemuseums in Schloss Köpenick und das Möbel gehörte zu den Stücken, die zu diesem Anlass in den Genuss einer schon länger notwendigen, umfassenden Restaurierung kam. Dabei stellte sich heraus, dass das gesamte Möbel von einer nur ungefähr 80 Jahre alten Lackierung überzogen war, die mit ihrer mäßigen Qualität den Gesamteindruck wesentlich prägte. Glücklicherweise ließ sich dieser inzwischen sehr mitgenommene, moderne Überzug komplett abnehmen. Zum Vorschein kam die wunderbar erhaltene, mehr als 300 Jahre alte originale Lackoberfläche, die wir seitdem bewundern können. Im Unterschied zur steifen Übermalung des frühen 20. Jahrhunderts wartet der lockere barocke Malduktus mit einer Fülle von Details auf. Hier scheinen sich feinste Gräser im Hauch der Luft zu bewegen und ist das Gefieder der Vögel mit jeder einzelnen Feder zu feinem Ornament gekämmt.
Silbern polierte und rote Blüten leuchten als Juwelen der Lackkunst auf, Wolken und Felsen sind von Plastizität erfüllt und die Fluten der Wasseroberfläche scheinen in schimmerndem Fluss zu sein.
Die gelungene Restaurierung ist die Leistung von Christian Fischer, Restaurator am Kunstgewerbemuseum, und wird besonders anschaulich, wenn man den Zustand vor der Restaurierung mit dem Nachzustand vergleicht. Dazu wurde am Möbel selbst an einer Stelle am Gestell der moderne Lacküberzug belassen:
Hier ist die Qualität der kostbaren Streulacktechnik sehr schön zu sehen: Im Vergleich zur nachträglichen Bronzierung auf schwarzem Grund erzeugt der sogenannte Aventurinlack, bei dem feinste metallene Späne in einem transparenten Lack gebettet sind, eine ungleich höhere Brillanz und hier rötliche Farbtiefe, die wesentlich zur erfolgreichen Imitation der fernöstlichen Lackarbeiten beitrug.
Gérard Dagly und die 1687 von ihm begründete Berliner Hoflackwerkstatt erweist sich in dieser Arbeit als ein Meister der barocken Lackkunst und wegweisend in seiner Umsetzung ostasiatischer Vorbilder. Das betrifft die Technik mit der gekonnten Nachahmung des japanischen Schwarzlackes sowie der Streulacktechniken und teilweise leicht reliefierten Lackbilder, aber auch die Gestaltung der Bildtafeln. Mit der für Europa ungewohnt spannungsreichen Komposition der Bildflächen und durch “die pointierte Leere der schwarzen Fläche„ bietet Gérard Dagly mit dem Münzschrank den “außerordentlich frühen Beleg einer ernsthaften künstlerischen Auseinandersetzung mit ostasiatischen Vorbildern“, wie Monika Kopplin sagt, Direktorin des Museums für Lackkunst in Münster.
Im nächsten Blogeintrag soll es darum gehen, dass die Malerei auf dem Münzschrank nicht nur schön anzusehen ist, sondern ein bestimmtes Thema hat: sie ist eine Huldigung an den Kurfürsten und ein Loblied auf seine gute Herrschaft.
Diese Serie von Blogeinträgen ist der Versuch, während der Laufzeit in loser Folge über die Entstehung der Ausstellung “Lob der Guten Herrschaft. Die Lackkunst des Gérard Dagly” in Schloss Köpenick zu berichten.
Endete der letzte Blogeintrag mit der Detailaufnahme vom Lackpaneel der linken Tür des Münzschrankes, soll hier zu Beginn die rechte Türseite gezeigt werden.
Die beiden Bildtafeln der Front zeigen Uferlandschaften mit bizarren Felsformationen, vereinzelten Bäumen und verschiedenster Vegetation. Beide Szenen sind von einem Phönixpaar dominiert. Während das pfauenähnliche Fabelwesen auf der linken Seite den Himmel beherrscht, hat sich sein Partner rechts bereits auf einem Felsen niedergelassen. Gegen die Größe der beiden Vögel nehmen sich Landschaft und Staffagefiguren winzig aus.
Ganz im Bann der Fabelwesen sind die mit den Attributen asiatischer Herkunft versehenen Figuren in Anbetung verfallen. Mit erhobenen Armen, wehenden Gewändern und exaltiertem Gestus scheinen sie die Ankunft der kaiserlichen Glücksbringer zu begehen.
Wie ungewöhnlich dieses Motiv ist, lässt schon der prüfende Blick auf die beiden Füllungen auf den Seiten des Schrankes erahnen.
Dort liegen unter einem tiefen Horizont Inseln mit komponierten Silhouetten von karg bewachsenen Felsen, an deren Ufer sich Pavillons und Pagoden drängen. Die Leere des Himmels ist von einigen Wolken und Vögeln bevölkert, von denen drei – wie wir gesehen haben – ihren Weg auf das gewölbte Dach gefunden haben.
Zarte Insekten schwirren umher und zeigen uns, ebenso wie die sanft schaukelnden Gräser, dass die Schwärze mit luftiger Atmosphäre gefüllt ist. Sie alle bezeugen die dekorative Qualität der aufwendigen reliefierten Lackarbeit und die gelungene Imitation der japanischen Lackkunst takamaki-e.
In den Lacktafeln der Front jedoch geht der Künstler Dagly über die reine Imitation seiner ostasiatischen Vorbilder hinaus. So trifft dort das Phönixpaar, in China wie Japan glückbringendes Symbol für gute Herrschaft und Ausweis höchst herrschaftlicher Objekte, auf die Sphäre der Menschen. Ist diese gemeinsame Darstellung des mythischen Vogels mit den gewöhnlichen Sterblichen in der ostasiatischen Kunst bereits ohne Vorbild, so sprengt deren aufgeregter, feierlicher Gestus vollständig die asiatische Bildtradition. Das Motiv der zum Himmel ausgebreiteten Arme stammt vielmehr aus der europäischen antiken Bilderwelt und ist dort als Gestus der Anbetung bekannt.
Ein schönes Beispiel hierfür bietet ein Silbertaler, der ungefähr zehn Jahre zuvor, 1681, unter dem brandenburgischen Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm geprägt wurde, als das Herzogtum Magdeburg an Brandenburg fiel.
Hier empfängt die Personifikation Magdeburgs den Segen spendenden brandenburgischen Adler mit Zepter und Füllhorn und streckt ihm zur Huldigung ihre erhobenen Arme entgegen.
Der Münzschrank vereint somit die ostasiatische und europäische Bildtradition in einer Huldigung an Kurfürst Friedrich III., dessen Radmonogramm auf dem vergoldeten Beschlag im Zentrum des Schrankes steht.
Aus der Nähe betrachtet, besteht das Monogramm aus der viermal ins Kreuz gestellten Initialie „F III“ unter dem Kurhut, der Kopfbedeckung der Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, mit dem Zepter im Zentrum. Das Motiv bekrönt das Antikenkabinett der Brandenburg-Preußischen Kunstkammer im Berliner Schloss und im nächsten Blogeintrag soll es darum gehen, zu zeigen, dass der Münzschrank mit seiner Huldigung an den Brandenburgischen Kurfürsten nicht allein steht. Er gehört vielmehr zu einem Bildprogramm im Dienst des zentralen kurfürstlichen Projekts: der eigenen Rangerhöhung zum preußischen König.
Diese Serie von Blogeinträgen ist der Versuch, während der Laufzeit in loser Folge über die Entstehung der Ausstellung “Lob der Guten Herrschaft. Die Lackkunst des Gérard Dagly” in Schloss Köpenick zu berichten.
Nach meiner Erfahrung sind eine neue Beobachtung und ein neuer Gedanke immer auch von dem Zweifel begleitet, ob diese Sichtweise denn tatsächlich zutreffend ist. Und so stand auch hier mitunter die Frage im Raum, ob auf den Türen des Münzschrankes denn tatsächlich diese – zudem europäische und asiatische Tradition verknüpfende – Huldigung an die gute Herrschaft dargestellt ist: War ein solcher Bildinhalt für die bewanderten Zeitgenossen von Gérard Dagly und für den Kurfürsten selbst verständlich? War Herrscherlob am Hof des brandenburgischen Kurfürsten überhaupt ein Thema?
Am Schluss des vorigen Blogeintrag stand ein Detail aus einem Kupferstich, der hier nun vollständig gezeigt werden soll.
Das etwas mehr als DIN A4 große Blatt stammt aus dem ersten Band einer dreibändigen Prachtausgabe, einer monumentalen, über einen Zeitraum von fünf Jahren veröffentlichten Publikation zu den herausragenden Werken der kurfürstlichen Antikensammlung.
Die drei Bände des Thesaurus Brandenburgicus selectus, Berlin 1696, 1698 und 1701 der Humboldt-Universität zu Berlin (Historische Sammlungen; Signatur 72508:1:F2/Rara). Foto: Achim Stiegel
Der Thesaurus Brandenburgicus selectus erschien in den Jahren 1696, 1698 und 1701 als eine Prachtausgabe von drei mit Kupfern von Münzen und Altertümern gefüllten Folianten. Der monumentale Katalog zählt zu den herausragenden Werken der Altertumsforschung vor Johann Joachim Winkelmann und stammt aus der Feder des Altertumswissenschaftlers und Numismatikers Lorenz Beger (1653-1705), der 1686 aus Heidelberg an den Berliner Hof gelangt war und dort seitdem die Hofbibliothek und die Kunstkammer betreute. In der Bibliothek der Humboldtuniversität hat sich ein besonders schönes Exemplar erhalten.
Die Publikation begleitet die systematische Erforschung und Präsentation der Sammlung und führt vor Augen, dass zum erfolgreichen Sammeln auch immer die Veröffentlichung gehört. Und so beginnt der erste Band von 1696 nach den Präliminarien der Widmung mit einer Einführung in die Räumlichkeiten des Kabinetts, dem der oben gezeigte ganzseitige Kupferstich zur Seite gestellt ist. Dieses von Samuel Blesendorf stammende Blatt bietet eine idealisierte Ansicht des Antikenkabinetts: War die Antikensammlung mit dem Münz- und Medaillenkabinett zuvor in der Bibliothek in unmittelbarer Nähe zu den Wohnräumen des Kurfürsten untergebracht, findet sie sich seit dem von Andreas Schlüter geleiteten Umbau des Berliner Schlosses, der in den Jahren der Veröffentlichung des Thesaurus voll im Gange war, in dem zum Lustgarten hin gewandten Flügel.
Nach der in lateinischer Sprache gegebenen Beschreibung erfolgte die Ausstattung des Kabinetts mit seiner Ausschmückung (»pigmenta«) und seinen Sammlungsmöbeln (»scrinia«) durch einen Ortsansässigen (»hominis incolae«) und wenn auch Lorenz Beger keinen Namen nennt, dürfen wir in diesem Künstler, der sich auf die Nachahmung erlesener japanischer Kunst verstand (»rarissimas Japonesium elegantias imitatur«) gewiss Gérard Dagly sehen.
Auf sechs großen Tischen (»sex mensa«) waren die antiken Kleinskulpturen aufgestellt, in ihren Schubladen verschiedene Geräte und Instrumente untergebracht und auf ihren unteren Böden die antiken Gefäße dicht gestellt.
Die Münzen und Gemmen hingegen wurden in vier Schränken (»quatuor gazophylacia«) bewahrt, deren Darstellung im Kupferstich nahezu vollkommen unserem Münzschrank entspricht. Zur Unterscheidung ihres Inhalts waren die Schränke mit vergoldeten Skulpturengruppen bekrönt, deren Hauptfiguren der antiken Mythologie entstammten: Apollo mit der Lyra bekrönte die Goldmünzen, Diana mit Pfeil und Bogen die Silbermünzen, Venus stand für die Bronzemünzen und der ägyptisch-hellenistische Gott Serapis für die Edelstein- und Gemmensammlung.
Der Kurfürst präsentierte sich mit seiner bedeutenden Antikensammlung nicht nur als kenntnisreicher Bewahrer antiker Tradition, sondern beanspruchte für sich die Rückbesinnung auf die antike Tugend der Aequitas.
In der Tradition römischer Kaiser stand sie mit ihrem Attribut der ausbalancierten Waage für die ausgleichende Gerechtigkeit und Angemessenheit und war damit ein zentrales Merkmal gerechter Herrschaft. Ihr Motto lautet „suum cuique“ – jedem das Seine zu gewähren. Dieser Wahlspruch begleitete die kurfürstliche und später königliche Münzprägung und zierte 1701 auch die Krönungsmedaille von Friedrich III./I.
Und so steht die Aequitas auch im Zentrum des 1696 publizierten ersten Bandes des Thesaurus Brandenburgicus selectus und seiner Darstellung des Antikenkabinetts.
Das Leitbild seiner gerechten Herrschaft findet sich exakt in der Mitte des Raumes unter dem Porträt des Kurfürsten und im Zentrum der gesamten Bildkomposition – die Personifikation der Aequitas steht auf dem Fluchtpunkt der Raumperspektive.
Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen, können wir also feststellen, dass es dem brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. und angehenden König Friedrich I. sehr wohl um die Klärung seiner Legitimation zur Herrschaft ging. Die von Gérard Dagly formulierte Darstellung gilt also mit einiger Berechtigung als Huldigung und Teil eines Programms, das dem Herrschaftsanspruch von Friedrich III. gewidmet war und im Antikenkabinett des Berliner Schlosses seine besondere Veranschaulichung fand.
Im Museum Berggruen wurde eine durch Ausleihe entstandene, temporäre Lücke in der Sammlungspräsentation auf originelle Weise geschlossen. Die Praktikantin Natascha Hellwag war dabei und konnte hinter die Kulissen blicken.
Eine der spannendsten Aufgaben für die Kuratoren und Restauratoren der Museen ist der Leihverkehr. So melden sich bei uns im Museum Berggruen regelmäßig Museen aus der ganzen Welt, die eine Ausstellung planen und ein Werk aus der Sammlung leihen möchten. Nachdem der bürokratische Vorlauf erledigt ist, zu dem etwa die Verträge und die Abstimmung über die klimatischen Bedingungen gehören, denen das Objekt in der Ausstellung ausgesetzt werden darf, geht das Werk auf Reisen und wird meistens vom Museumspersonal in das entsprechende Museum begleitet.
Aktuell hat das Museum Berggruen drei Werke von Pablo Picasso verliehen, nämlich „Das Absinth-Glas“ (1914), „Der Kranich“ (1952) und „Frauenkopf (Fernande)“ (1909), die im Pariser Musée National Picasso in der Ausstellung „Picasso.Sculptures“ bis September 2016 gezeigt werden. In der Sammlungspräsentation des Museum Berggruen entstanden dadurch Lücken, vor allem in unserer sogenannten „Skulpturenlobby“. Die zurückgelassene „Amsel“ (1943) und der „Musikant“ (1961) von Picasso tschilpten und trompeteten ins Leere. Es stellte sich also die Frage, wie man den vorhandenen Platz nutzen könnte.
Rudolf Belling, Fabeltier (“Horchtier”), 1923 (c) Staatliche Museen zu Berlin, Museum Berggruen / VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Im Nebenraum entstand gerade „Studio Cézanne“, eine elektroakustische Klanginstallation der Komponistin und Künstlerin Brigitte Witzenhause, die nun bereits seit Juni läuft. Die Rhythmen und Klänge der Installation dringen in die Geräuschkulisse der Nebenräume, sodass es nahe lag, die Lücke in der „Skulpturenlobby“ mit Werken zu schließen, die auf die Klanginstallation Bezug nehmen. Nach einigem Stöbern in den Beständen der Nationalgalerie wurden wir fündig und entschieden uns, das „Fabeltier (Horchtier)“ (1923) von Rudolf Belling auszustellen, sowie den „Schlittschuhläufer“ (1918) von William Wauer. Das „Horchtier“ lauscht mit seinen großen, runden Ohren nun nicht nur den Klängen der „Amsel“ und des Musikanten von Picasso, sondern auch dem Sound der Klanginstallation. Der „Schlittschuhläufer“ tanzt dazu im Rhythmus der Beats.
Das „Horchtier“ mit seinen kugelrunden Augen und der niedlichen Nase verdankt seinen Namen im Übrigen gar nicht seinen großen, horchenden Ohren; vielmehr gestaltete Belling das Tierchen nach seiner eigentlichen Funktion: Als Entwurf für eine Kühlerfigur der Automobilfirma „Horch“ sollte es vermutlich den Firmennamen durch seine großen Ohren repräsentieren. In die industrielle Fertigung schaffte es die Figur jedoch nicht.
Wer sich das Tierchen in natura ansehen möchte, hat dazu noch Gelegenheit: Die aktuelle Sonderpräsentation im Erdgeschoss des Museum Berggruen und die Klanginstallation von Brigitte Witzenhause werden bis Mitte Oktober 2016 zu sehen sein.
William Wauer, Schlittschuhläufer, 1918 (Vorderansicht) (c) Staatliche Museen zu Berlin, Museum Berggruen / VG Bild-Kunst, Bonn 2016William Wauer, Schlittschuhläufer, 1918 (Rückansicht) (c) Staatliche Museen zu Berlin, Museum Berggruen / VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Anfang August kam die Museumsinsel zu der Ehre, Schauplatz eines neuen Abenteuers aus dem Micky-Maus-Heft zu sein. Der Journalist und hochdekorierte Donaldist Patrick Bahners reflektiert für uns eine Geschichte über das schlaue Buch, die Nofretete und Materie am falschen Ort.
Man stelle sich vor, die Brüder Humboldt lebten heute und schrieben alles auf, was sie wüssten. Was käme dabei heraus? Entweder die gesammelten Werke von Horst Bredekamp. Oder das Schlaue Buch des Fähnleins Fieselschweif. Die weltumspannende Jugendorganisation, der Tick, Trick und Track Duck angehören, ernennt ihre Mitglieder zu Generälen (Tick, Trick und Track sind Vier-Sterne-Fieslinge) und erzieht sie zu Generalisten. Dank dem Studium des Pfadfinderhandbuchs können Donald Ducks Neffen von sich sagen, was bei ihrem Onkel nur Angeberei ist: Sie verstehen von allem etwas.
Ursprungsmythos des Schlauen Buchs
Ein Buch, das alles Wissen der Welt und zusätzlich alles Wissen des Weltraums enthält, darunter das Vokabular der Sprachen von Bewohnern unentdeckter Planeten, muss natürlich ständig aktualisiert werden. Umgekehrt heißt das: Es gibt haufenweise veraltete Ausgaben. Wie der Antiquariatsbuchhandel mit dieser hochwertigen und für Kulturhistoriker hochinteressanten Massenware umgeht, wird in den Comicheften, die Berichte aus Entenhausen enthalten, nicht überliefert.
Jetzt konnte man in einer Fortsetzungsgeschichte in der „Micky Maus“ eine Version des Ursprungsmythos des Schlauen Buchs studieren: Das allererste Exemplar der allerersten Ausgabe wird in einer Wanderausstellung in europäischen Metropolen den Kulturtouristen präsentiert, hinter Panzerglas gesichert wie die Gutenberg-Bibel oder die erste Folio-Ausgabe der Werke Shakespeares; nur muss das Glas noch viel sicherer sein, weil dieses Buch wirklich ein Unikat sein soll. Ein Japaner, der eine Gruppenreise „Fünf Tage Europa unter kundiger Führung“ absolviert, mag das Glück haben, fünfmal vor dem Buch der Bücher zu stehen. Hinterher wird er allerdings auch nicht schlauer sein, da das Buch nicht aufgeschlagen ist. Man kann nur den Buchdeckel bewundern, dem das Wappen der Junior Woodchucks aufgeprägt ist, wie das Fähnlein Fieselschweif in den amerikanischen Originalgeschichten von Carl Barks heißt.
Die Summe des Weltwissens für privaten Neokolonialismus
Was ist ein Buch, das keine Leser hat? Vollkommen wertlos. Dann kann man es auch einstecken und mitnehmen. Das muss sich auch das Schwarze Phantom gedacht haben, ein Superschurke, den der Micky-Maus-Zeichner Floyd Gottfredson 1939 in den Kosmos der Disney-Comics einführte. Das Phantom verbirgt seine Identität unter einem schwarzen Bettlaken, um auch am helllichten Tag im Schutze der Dunkelheit agieren zu können. Der Napoleon des Verbrechens strebt naturgemäß nach der Weltherrschaft und für dieses Projekt des privaten Neokolonialismus braucht er die Summe des Weltwissens.
Wer die von Pat und Carol McGreal verfasste, von dem Spanier César Ferioli gezeichnete Geschichte liest, mag glauben, dass das Phantom ein paar Tricks verlernt hat. Wenn es sich früher die berühmtesten Gemälde der Kunstgeschichte zusammenklaute, pflegte es Faksimiles in den Rahmen zurückzulassen, die es eigenhändig angefertigt hatte. Aber um das ur-Schlaue Buch abzuschreiben, hätte es den Schmöker ja schon besitzen müssen; selbst ein Beltracchi der Enzyklopädistik wäre an dieser Aufgabe gescheitert.
„Dieser Kulturbanause schreckt vor nichts zurück!“
Zum Showdown zwischen dem Altmeisterdieb und den Allwissenshütern der Entenhausener Pfadfinderschaft kommt es, als das Handbuch dort gezeigt wird, wo es hingehört: auf der Berliner Museumsinsel, im universalsten aller Universalmuseumskomplexe. Im Alten Museum wird die Vitrine aufgestellt. Trotz modernster Sicherheitstechnik gelingt dem Phantom der Diebstahl, weil es auch vor Patentdiebstahl nicht zurückschreckt und das futuristische Fortbewegungsmittel des Silver Surfer aus den Marvel-Comics kopiert hat. Das Böse siegt nie: Ob das wohl auch im Schlauen Buch steht? Jedenfalls muss das Phantom am Ende die Beute wieder hergeben. Es lohnt sich eben nicht, keinen Eintritt zu bezahlen.
Gastauftritt der Nofretete im Micky-Maus-Heft: “Bei Donald Duck ist sie in guten Händen.” (c) Disney / Egmont Ehapa
Vor der Rettung des ungelesenen Klassikers wäre beinahe noch die Nofretete im Neuen Museum zu Bruch gegangen. Als das Phantom mit seinem Flugbrett die Büste vom Sockel stößt, ruft Micky Maus aus: „Dieser Kulturbanause schreckt vor nichts zurück!“ Ein seltener Moment der Anknüpfung an den Witz der legendären Übersetzerin Dr. Erika Fuchs, deren Schreibtisch vor ein paar Jahren in der Ausstellung über die deutsche Sprache im Deutschen Historischen Museum zu sehen war. Kein Klickeradoms erschüttert die Berliner Museumslandschaft: Im Unterschied zur Venus von Medici bei Wilhelm Busch bleibt die Nofretete heil. Bei Donald Duck ist sie in guten Händen.
Wer Wissen will, muss immer noch ins Museum gehen
Im Vergleich zu den Entenhausener Museen in den klassischen Vorlagen von Carl Barks sieht es auf der Museumsinsel des Micky-Maus-Hefts viel zu ordentlich aus – und das ist nicht als Kritik an den echten Berliner Inselmuseen gemeint. Zwei der langen Abenteuergeschichten von Barks, „Im Land der viereckigen Eier“ und „Der goldene Helm“, kreisen um die Faszination des Museums, einer Welt, in der man um die Ecke des ausgestopften Ur-Rinds ein Wikingerschiff antrifft oder den Wäschesack der Königin von Saba. Je mehr man schon kennt, desto mehr gibt es dort zu sehen, weshalb auch die Kuratoren im Museum noch Entdeckungen machen. Und ebenso die Museumswärter, welchen ehrenvollen Beruf Donald Duck mehrfach bekleidet hat. Er fand die ein Jahrhundert lang nicht legendären, da unerkannten viereckigen (eigentlich würfelförmigen) Eier aus dem Hochland der Anden, die in der peruanischen Steinsammlung einstaubten.
Das Schwarze Phantom passt eigentlich gut ins Museum. Im Original lautet der Deckname des Dunkelmanns The Phantom Blot. Er ist der Person gewordene Tintenfleck, der Schrecken jedes Comiczeichners. In die Museumswelt übersetzt: der Schatten über jeder Vitrine, Schmutz gemäß der Definition der Anthropologin Mary Douglas, Materie am falschen Ort.
Die Pfadfinder kommen sich mächtig schlau vor, weil sie sich einbilden, dass alle Wege im Reich des Wissens auf ihren Aussichtsturm in Buchform zulaufen. Aber wer das Buch der Natur und Kultur aufgeschlagen sehen will, muss immer noch ins Museum gehen.
Während ihres Praktikums in der Alten Nationalgalerie stieß die angehende Kunsthistorikerin Caroline Knopke auf ein Gemälde, dem sie sich besonders verbunden fühlte. Und das, obwohl das Sujet alles andere als einladend wirkt …
Ein Rundgang durch die bekannten Ausstellungsräume der Berliner Museen und Galerien ermöglicht einem Besucher wie mir immer wieder neue Eindrücke und Entdeckungen. Besonders als Studentin der Kunstgeschichte stehe ich jederzeit vor der Herausforderung, mein neu gewonnenes Wissen aus Seminaren und Vorlesungen anzuwenden oder es erst einmal an den Originalen zu überprüfen. Als ich schließlich im Rahmen meines Praktikums in der Alten Nationalgalerie erneut eine kleine gedankliche Führung durch die Kunst des deutschen Realismus vornahm und den Ausstellungsraum mit Arbeiten des Leibl-Kreises erreichte, stieß ich auf Wilhelm Trübners Werk “Auf dem Kanapee”.
Wilhelm Trübner: Auf dem Kanapee (1872) (c) bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders
Sog ins Interieur
Die junge Dame auf dem Ölgemälde von 1872 erregte augenblicklich meine Aufmerksamkeit. Ihr frontaler und eindringlicher Blick sowie die aufrechte Sitzhaltung tragen dazu bei, dass der Betrachter in das Interieur hineingezogen wird. Welche Umstände haben dazu geführt, dass ihre Gesichtszüge so entgleiten und ein Gefühl der Aufdringlichkeit im Betrachter entsteht? Ich fühle mich mehr als Eindringling denn als willkommene Gesellschaft und überlege, meinen Rundgang fortzusetzen. Einladend ist anders!
Ich bin mir unsicher, ob mir die im Bild dargestellte Fülle an Mustern und Stoffen, die Vielfalt der Blüten und deren Opulenz gefällt oder ob sie mich, wie die Dame in Schwarz, wohl eher erdrücken. Zarte Maiglöckchen verweilen in einer kleinen Vase auf dem Tisch, doch wartet bereits ein frischer und großblütiger Blumenstrauß darauf, eingewechselt zu werden. Das Buch, das vorsorglich auf die linke Seite des Kanapees gelegt wurde, bietet keinen Raum für Gesellschaft und bewahrt das Mädchen vor einer weiteren Einengung. Die flinken Pinselstriche des stofflichen Blattwerkes auf Bezug und Tapete und die unruhig gesetzten Karos der Tischdecke entwickeln eine scheinbar unaufhaltsame Dynamik, die lediglich durch das ruhige Wesen des Mädchens gebändigt werden kann. Das schwarze massive Kleid, das sie an eine Witwe erinnern lässt, löst sich offenbar in den Blumenstoff des Kanapees auf, wodurch ihre feste Gestalt zu verschwinden droht.
Detailansicht von Wilhelm Trübner: Auf dem Kanapee (1872) (c) bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders
Scham, Wut oder Selbstfindung?
Ihre rötlichen Wangen lassen vieles vermuten: Scham, da sie in einem scheinbar unbeobachteten Moment überrascht wurde oder ihr das Portraitieren fremd ist. Wut, weil sie nun endlich mit ihren Gedanken und ihrer Trauer allein gelassen werde möchte. Dass sie lediglich Rouge und Lippenstift aufgetragen hat, um sich schön und weiblich zu fühlen, ist angesichts des verhüllenden Kleides ebenfalls anzunehmen. Der weiße Halskragen, der an die Accessoires eines Rembrandt oder Velázquez erinnert, bedeckt die letzte nackte Stelle des jungen Körpers und damit ihre Weiblichkeit. Die zarte Gesichtsröte kann aber ebenso als Zeichen der Unschuld und Jugend gedeutet werden, die mit einer beginnenden Selbstfindung einhergeht.
Detailansicht von Wilhelm Trübner: Auf dem Kanapee (1872) (c) bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders
Warum mich Trübners Gemälde so nachhaltig beschäftigt, liegt in der unklaren, ja sogar mysteriösen Stimmung begründet, die von der Portraitierten ausgeht. Ob es sich um eine Witwe, um ein eigensinniges Mädchen oder um eine Geliebte mit zwei Verehrern handelt, deren Blumensträuße sich bereits häufen, bleibt ungewiss. Als junge Frau desselben Alters fühle ich mich auf eine ungewöhnliche Weise mit ihr verbunden; ganz egal, ob sie mich zum Verweilen einlädt oder nicht.
Manche Dinge sind nicht, wonach sie zuerst aussehen – das wissen besonders AltertumsforscherInnen nur allzu gut. So auch Christina Hanus, die 2012 als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Ausstellungsprojekt „Im Licht von Amarna – 100 Jahre Fund der Nofretete“ ein ganz besonderes Objekt kennenlernte.
Keine monumentale Königsstatue oder Figurine aus purem Gold ist für mich eine der außergewöhnlichen „Perlen“ des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung, sondern eine Kette, die auf den ersten Blick vielleicht eher unspektakulär wirkt. Die große Sonderausstellung „Im Licht von Amarna – 100 Jahre Fund der Nofretete“, an der ich 2012 als wissenschaftliche Mitarbeiterin mitgearbeitet habe, rückte sie im Neuen Museum erstmalig ins Scheinwerferlicht.
Die altägyptische Kette datiert in die 18. Dynastie, um 1351–1334 v. Chr., und somit in die Regierungszeit Pharao Echnatons. Sie wurde 1911 während der Grabungen der Deutschen Orientgesellschaft unter der Leitung von Ludwig Borchardt in Tell el-Amarna gefunden. Der moderne Ort befindet sich auf den Überresten der antiken Siedlung Achet-Aton (übersetzt: Horizont des Lichts), der durch Pharao Echnaton gegründeten neuen Residenz, die heute durch das Amarna Project unter der Leitung des britischen Ägyptologen Barry Kemp wissenschaftlich erforscht wird.
Jochgehänge und Pferdeschmuck
Die Kette von 95 cm Gesamtlänge besteht aus 35 Perlen mit einem Durchmesser von 2,5 bis 3,1 cm. Mit schwarzer Farbe wurden Schutz-Symbole auf die Kugeln aufgemalt. Dabei tragen elf Perlen das so genannte „Udjat-Auge“, 24 Perlen zeigen eine stilisierte Darstellung einer Iris mit Pupille – auch als „Fischauge“ bezeichnet. Die moderne Fädelung der aneinandergereihten Udjat-Augen kann als gesichert gelten. Eine weitere Perle sticht als einzige in ihrer Erscheinung heraus. Sie zeigt auf einer Seite ein Anch-Zeichen, das „Leben“ und „Macht“ symbolisiert. Dieses befindet sich zwischen zwei Was-Zeptern, altägyptischen Zeichen in Form eines Stabes mit einem abstrakten Tierkopf am oberen und einer Gabelung am unteren Ende, die meist von den Göttern an die Könige übergeben werden und die als Symbol für Macht oder Glück stehen. Auf der anderen Seite weist diese Perle einen Djed-Pfeiler (für „Stabilität“ und „Macht“) auf, der erneut von zwei Was-Zeptern flankiert ist.
Wer bei dieser Kette an den Zierrat für eine Prinzessin oder Dame eines wohlhabenden Hauses denkt, der irrt. Schon der Fundort gab Hinweise auf die Funktion der Kette. Unter dem Grabungskürzel „N 51.3“ verbirgt sich ein Gehöft mit angegliederten Stallungen. Und in eben jenen fanden die Grabungsmitarbeiter am 12. Februar 1911 die Kette aus durchbrochenen Kugeln. Schon damals bemerkte Borchardt in seinen Grabungsunterlagen, dass es sich vermutlich um „Pferdeschmuck“ handele. Tatsächlich fanden wir bei unseren Recherchen für die „Im Licht von Amarna“-Ausstellung diese Vermutung durch den Ägyptologen Ulrich Hofmann bestätigt. Ihm zufolge handelte es sich bei der Kette um ein Jochgehänge. In einer Keilschriftkorrespondenz mit dem Fürsten Tuschratta, einem mitannischen König, der im 14. Jahrhundert v. Chr. regierte und zur Zeit Amenophis III. und Amenophis IV./Echnatons intensiven diplomatischen Kontakt mit Ägypten pflegte, wird ein solches als „maninnu sa sisi“ („Kette für Pferde“) bezeichnet.
Haus N 51.3, mit rot markierten Ställen (Abbildungs-Quelle: L. Borchardt; H. Ricke: Die Wohnhäuser in Tell el-Amarna, Wissenschaftliche Veröffentlichung der Deutschen Orient-Gesellschaft 91, Berlin 1980, Plan 110)
Ein tatkräftiger Schutz-Talisman
Im Vordergrund stand bei einem solchen Jochgehänge die Verzierung mit Augen, wie dem Udjat-Auge. Es besteht aus einem vereinfacht wiedergegebenen menschlichen Auge in Kombination mit einem senkrechten Strich und einer Spirale, welches Elemente des Falken- und des Pantherauges sind. Dem mit Abstand beliebtesten Schutzsymbol des Alten Ägypten liegt der Mythos zu Grunde, dass es sich dabei sinnbildlich um das Auge des Gottes Horus handelt, welches ihm durch seinen verfeindeten Onkel Seth mit Gewalt entfernt wurde. Der Überlieferung nach vermochte der Mondgott Thot das Auge zu heilen, so dass es anschließend als „udja“ („heil/gesund“) bezeichnet wurde. Wie bei Udjat-Augen auf Fingerringen oder Amuletten für Menschen, sollte die symbolische Funktion des Auges den Träger – hier also das Pferd und den Wagenlenker – vor Unheil schützen und seine Gesundheit auf magischem Wege garantieren.
Ein weniger häufiges Motiv stellte die Iris mit Pupille auf den Perlen dar. Es findet sich zum Beispiel auch auf Glasgefäßen zum Schutz des jeweiligen Inhaltes. Es ist anzunehmen, dass solch eine stilisierte Widergabe des Augenmotivs durch die einfache und schnelle Fertigung begründet ist: Einen Kreis mit einem mittigen Punkt in Glas herzustellen, war wesentlich unkomplizierter als ein Udjat-Auge mit seinen vielen Strichen.
Die magischen Symbole auf der bereits erwähnten, einzigen Perle mit Anch, Djed-Pfeiler und Was-Zepter sollten den Träger mit Lebenskraft, dauerhafter Stärke und Macht ausstatten. Befestigt am Joch des Pferdes diente das Perlengehänge demnach nicht nur als Zierde, sondern insbesondere als tatkräftiger Schutz-Talisman, der Pferd, Wagen und in diesem Zuge auch den Besitzer unterwegs behütete, ganz gleich ob es auf eine Spazierfahrt, auf die Jagd oder in eine Schlacht ging.
Amenophis IV. und Nofretete auf dem Streitwagen: das am Geschirr des Pferedes befestigete Jochgehänge ist rot markiert. (Abbildungs-Quelle: N. Davies, The Rock Tombs of El Amarna. Part III. The Tombs of Huya and AHmes (Archaeological Survey of Egypt. Fifteenth Memoir), London 1905, Pl. 32A.)
Keine schlechte Sache also, so ein Jochgehänge mit 35-fachem Schutz bei seiner Fahrt dabei zu haben. Vielleicht sollte man die Produktion solcher Ketten wieder neu auflegen, denn als dekorativer Glücksbringer an Auto-Rückspiegeln würden sie sicher einen neuen Trend auslösen!
Die Alten Ägypter sind vor allem wegen ihrer monumentalen Bauten und ihrer Hochkultur bekannt. Doch sie haben auch Objekte hervorgebracht, deren Bedeutung oder Funktion uns mitunter Rätsel aufgeben – wir stellen euch zehn davon aus dem Ägyptischen Museum und Papyrussammlung vor.
Der Gott Bes galt als Schutzgott, der aber auch für Launen und Lustbarkeiten stand. Gemein ist vielen Bes-Darstellungen das bizarre Aussehen – so wie auf diesem Krug aus der Spätzeit (664–332 v. Chr.) mit Federkrone und roten Tupfen als Haar.
„Dienerin, nackt, eckiger Kasten auf dem Kopf, Ente in Hand“ hält die Objektbeschreibung aus dem Archiv nüchtern fest. Dem Betrachter gibt die Holzfigur aus dem Mittleren Reich (2119–1794 v. Chr.) Rätsel auf …
Das Osirisbild, das die kniende Männerstatue hält, deutet auf eine Anbetung hin. Der Pavian auf den Schultern mag verwundern, versierten Alt-Ägypten-Kennern sagt er, dass es sich bei dem Dargestellten um einen Schreiber handeln könnte. (1292–1186 v. Chr)
6. Terrakotte in Gestalt eines tanzenden, geflügelten Bes
Und wieder Bes – diesmal im bizarren Tanz. Die Figur mit dem fratzenhaften Gesicht und den Flügeln ist gleichzeitig ein Fläschchen. (100 v. Chr. bis 1 v. Chr.)
Bei dieser sonderbaren Figur kommen auch unsere Wissenschaftler ins Grübeln – einzig dass sie aus der frühen Ptolemäerzeit (380. bis 200 v. Chr.) stammen muss, lässt sich stilistisch beurteilen.
Die alten Ägypter hatten scheinbar eine rege Fantasie … Oder auch nicht, denn bei dieser seltsamen Sitzfigur eines Mannes mit Affengesicht handelt es sich um eine Fälschung.
Unsere Reihe “Backstories” widmet sich diesmal dem Bildnis “Der Engel weckt den Propheten Elias in der Wüste”. Röntgenaufnahmen der Holztafel, die als Bildträger dient, enthüllten ein interessantes Geheimnis dieses kleinen Kunstwerkes aus dem Goldenen Zeitalter der Spanischen Malerei.
Spätestens seit dem spektakulären Schwabinger Kunstfund ist die Provenienzforschung einem größeren Publikum bekannt. Doch was genau verbirgt sich hinter dem Begriff und was unternehmen Institutionen wie die Staatlichen Museen zu Berlin, um geraubte Kunst zu finden und zu restituieren? Petra Winter, Leiterin des Zentralarchivs, weiß mehr.
Jedes Kunstwerk hat eine eigene Biografie. Die vergessenen, versteckten und manchmal auch bewusst verborgenen Geschichten der Objekte in Museen aufzuklären, ist das Ziel der Provenienzforschung. Um die Biografie eines Objekts möglichst vollständig zu rekonstruieren, müssen wir uns einige grundlegende Fragen stellen: Woher kommt es und wie gelangte es ins Museum? Wem gehörte das Objekt vorher? Die zentrale Frage, die wir mit der Provenienzforschung zu klären hoffen, ist aber diese: Gehört das Objekt, das sich heute im Museum oder einer Sammlung befindet, vielleicht eigentlich noch jemand anderem, dem es einst unrechtmäßig genommen wurde?
Die Tätigkeit der Provenienzforscher ist in erster Linie eine klassische historische Recherche, also die Suche nach schriftlichen Hinweisen und Belegen zur Biographie eines Objekts in Archiven und Bibliotheken. Auch das Objekt selber muss unter die Lupe genommen werden, denn manchmal sind an und auf ihm Spuren überliefert: Zum Beispiel Stempel oder Aufkleber auf der Rückseite eines Gemäldes. Sie können wichtige Hinweise auf den Weg des Objektes geben und helfen, seine Besitzgeschichte zu rekonstruieren.
Internationale Spurensuche
Die meisten Objekte haben eine internationale Biographie: Sie sind durch viele Hände gegangen und hatten etliche Vorbesitzer, die auf der ganzen Welt unterwegs gewesen sein könnten. Daher ist die internationale Zusammenarbeit bei der Provenienzforschung sehr wichtig und gute Kontakte zu Archiven in anderen Ländern machen eine sinnvolle Recherche oft erst möglich. Einen besonderen Fall stellen Kunstwerke dar, die früher einmal jüdischen Besitzern gehört haben könnten. Sie wurden oftmals gewaltsam entwendet und ihre Besitzer sind oft bereits vor Jahrzehnten ins Ausland emigriert. Nicht selten liegen dann etwa in Amerika die schriftlichen Nachlässe von emigrierten Privatsammlern oder Kunsthändlern, die wertvolle Informationen zu Kunstwerken in Europa und andernorts enthalten.
Wenn durch Provenienzforschung Werke ausfindig gemacht werden, die einem privaten Eigentümer unrechtmäßig entzogen wurden, dann wird nach juristischer Prüfung der Kontakt zu möglichen Erben gesucht und eine Einigung angestrebt.
Provenienzforscher transatlantisch zusammenbringen
Während der Projektlaufzeit werden jedes Jahr je zehn deutsche und amerikanische Museumsmitarbeiter zu Workshops in Deutschland und in den USA zusammenkommen. Unsere Partner im Projekt sind neben der Smithsonian Institution in Washington auch die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das Zentralinstitut für Kunstgeschichte München, das Getty Research Institute in Los Angeles und das Metropolitan Museum in New York. In diesen sechs Städten findet jeweils ein Workshop statt. Wir beginnen im Februar 2017 in New York, im September werden dann die Staatlichen Museen zu Berlin selbst Gastgeber sein.
Das langfristige Ziel des Projektes liegt vor allem darin, Wissenschaftler und Provenienzforscher von beiden Seiten des Atlantiks zusammenbringen, damit sie sich persönlich kennenlernen, sich über die verschiedenen Strukturen und Methoden der Provenienzforschung an ihren Einrichtungen austauschen und sich also ganz praktisch gegenseitig Hinweise und Hilfestellung geben. Es ist zum Beispiel für Amerikaner sehr schwer zu durchschauen, welche historischen Unterlagen man in welchem deutschen Landes-, Staats- oder Stadtarchiv findet und wie man sich dort korrekt anmeldet, um die gewünschten Akten einsehen zu können. Uns Deutschen geht es mit den amerikanischen Archiven natürlich ganz ähnlich – da ist praktische Hilfe vor Ort sehr wertvoll.
Am Austauschprogramm sollen aber auch MuseumskollegInnen teilnehmen, die nicht selbst direkt Provenienzforschung betreiben, diese aber durch ihre Arbeit ermöglichen, also Archivare, Juristen, Museologen, IT-Fachleute. Durch diesen breiten Ansatz soll ein tragfähiges, nachhaltiges Netzwerk entstehen.
Jetzt bewerben! Ab sofort läuft übrigens die Bewerbungsfrist für den Austausch im Jahr 2017 – Interessenten finden unseren Call for Application im Web.
Das Handschriftenprojekt Maria von Geldern widmet sich der Untersuchung und dem Erhalt einer der schönsten Handschriften aus dem Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin. Am heutigen Dienstag präsentieren die Fachleute vom Rathgen-Forschungslabor und ihre Partner die Ergebnisse.
Eine der schönsten und kostbarsten Handschriften der Staatsbibliothek zu Berlin ist das Stundenbuch Maria von Geldern. Die mittelalterlichen Handschrift, die 1415 im Augustiner-Chorherrenkloster der niederländischen Stadt Arnheim für die Herzogin Maria von Geldern hergestellt wurde, enthält 92 Miniaturen von hervorragender künstlerischer Qualität sowie zahlreiche historisierte Initialen und gemalte Bordüren. Es gilt als eines der Hauptwerke der niederländischen Buchmalerei.
So wertvoll die Handschrift ist, so fragil ist sie mit der Zeit geworden: Risse im Pergament, abgeriebene und abgeplatzte Malschichten, Goldabrieb, Craquelé-Bildung und pudernde Malschichten gehören zu den Schäden, die die Restauratoren heute feststellen können.
Vier unterschiedliche Künstler
Um die Handschrift 600 Jahre nach ihrem Entstehen wieder nutzbar zu machen und auch kunsthistorisch neu zu bewerten, wurde nun via Crowdfunding ein eigenes Projekt ins Leben gerufen: Kunsthistoriker, Naturwissenschaftler und Restauratoren der Radboud-Universität Nijmegen, der Staatsbibliothek zu Berlin und des Rathgen-Forschungslabors der Staatlichen Museen zu Berlin arbeiten darin gemeinsam an kunsthistorischen und konservierungswissenschaftlichen Fragestellungen.
Zahlreiche zerstörungsfreie Analysenverfahren wie Röntgenfluoreszenz, Vis-Spektroskopie, Raman-Spektroskopie und Infrarot-Spektroskopie ermöglichen eine genaue Charakterisierung des Pergaments und der Malmaterialien wie Pigmente, Farbstoffe und Tinten.
Laut einer kunsthistorischen Analyse der Handschrift waren mindestens vier unterschiedliche Künstler an der Herstellung der Miniaturmalereien beteiligt. Die genaue Identifizierung der Zusammensetzung der verschiedenen Farben könnte nun möglicherweise diese Händescheidung, also die Unterscheidung verschiedener Künstler, bestätigen.
Gelüftete Geheimnisse
Neben den kunsttechnologischen Untersuchungen muss das vorliegende Schadensbild geklärt werden: Warum bricht das Pergament an den entsprechenden Stellen? Verschlimmert sich der Schaden und wenn ja, unter welchen Bedingungen? Diese Fragestellungen werden zusammen mit dem Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energien Berlin bearbeitet, wo Dank der Synchrotronstrahlung neue innovative Messmethoden zur Verfügung stehen. Die Untersuchungsergebnisse bilden dann die Grundlage zur Erarbeitung eines neuen und effizienten Konservierungskonzepts, das unter anderem feststellt, ob und wenn ja wie die Handschrift wieder gebunden werden kann.
Eine spannende Forschung also, die diese bedeutende Handschrift in einem neuen Licht erstrahlen lässt und sicher das eine oder andere Geheimnis lüftet. Die Ergebnisse des Projektes werden nun im Rahmen der öffentlichen Vortragsreihe „KWD – Konservierungswissenschaft im Dialog“ vorgestellt (25.10.2016, 19 Uhr im Brugsch-Pascha-Saal des Archäologischen Zentrums, Geschwister-Scholl-Str. 6). Wer Interesse an dem Thema hat, kann heute Abend spontan vorbeischauen oder in den nächsten Tagen hier im Blog ein Update mit den Ergebnissen lesen.
Unsere Redakteurin Constanze von Marlin hat sich den spektakulären Transportflug von Robert Indianas großformatiger Skulptur „Imperial Love“ angesehen. Seit Mitte September steht die Pop Art Ikone nun vorübergehend im Hof des Hamburger Bahnhofs – Museum für Gegenwart – Berlin.
Eine großzügige Schenkung der Morgan Art Foundation an den Verein der Freunde der Nationalgalerie ermöglichte die Aufstellung von Robert Indianas großformatiger Skulptur „Imperial Love“ vor dem Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin. Doch seinen eigentlichen Standort hat das Kunstwerk damit noch nicht erreicht.
Zur Wiedereröffnung der Neuen Nationalgalerie wird die fast fünf Meter breite und über vier Tonnen schwere Skulptur noch einmal umziehen und schließlich auf der Skulpturenterrasse des Hauses am Kulturforum ihren finalen Aufstellungsort finden. Die Terrasse der Neuen Nationalgalerie ist seit ihrer Eröffnung eine Präsentationsfläche für großformatige Skulpturen wie „Têtes et queue“ (1965) von Alexander Calder oder „Bogenschütze“ (1964) von Henry Moore, die bereits zur Eröffnung des Hauses dort dauerhaft aufgestellt wurden und nach der Instandsetzung wieder zurückkehren.
LOVE und gesellschaftliche Aufbruchsstimmung
Wie die beiden Skulpturen von Calder und Moore stammt auch Robert Indianas Entwurf zu „Imperial Love“ aus den 1960er Jahren, also der Bauzeit der Neuen Nationalgalerie von Ludwig Mies van der Rohe. Indianas Idee von 1966 wurde 2006 in Cortenstahl, einem wetterbeständigen Baustahl, realisiert. „Imperial Love“ ist eine Variation des Wortbildes LOVE durch eine gespiegelte Verdopplung der Buchstaben.
Als einer der Hauptvertreter der US-amerikanischen Pop Art wurde Robert Indiana, geboren 1928 in New Castle (Indiana) mit dem Werk LOVE aus den Buchstaben L und O, darunter V und E weltweit bekannt. Mitte der 1960er Jahre traf Indiana mit LOVE auf eine gesellschaftliche Aufbruchsstimmung. Sein Motiv vereinte Aspekte aus Kunst, Konsum, Religion, Politik und Sexualität und wurde zu einem weltweit bekannten Logo. Die Wort-Bild-Schöpfung fußt auch auf der Beschäftigung des Künstlers mit primären Zeichen wie Zahlen, Nummern und Buchstaben. Es geht um allseits bekannte Elementarzeichen, deren allgemeine Verständlichkeit gerade den ikonischen Wert des Kunstwerks ausmacht.
Erste Skulptur von Indiana in der Sammlung
In Zusammenhang mit den Vorbereitungen für eine Marsden Hartley Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie im Jahr 2014 stieß der Kurator Dieter Scholz auf die Bilderserie „Hartley Elegies“ von Robert Indiana, die den Blick auch auf dessen frühe Arbeiten lenkte. So gelangte die erste Skulptur von Indiana in die Sammlung der Nationalgalerie. Udo Kittelmann, der Direktor der Nationalgalerie, zeigte sich im September begeistert: „Wir freuen uns außerordentlich, dass auf Initiative der Nationalgalerie diese einzigartige Ikone der Pop Art dauerhaft in Berlin gezeigt werden kann.“
Die Präsentation der Skulptur ist auch ein Hinweis auf das 20-jährige Jubiläum des Hauses, das im November 1996 als Standort der Nationalgalerie seine Türen öffnete. Besucher können am kommenden Wochenende (5. und 6. November 2016) bei freiem Eintritt die Sammlung erkunden und Ihre Eindrücke mit dem Hashtag #20yearsoflove teilen.
Die Gipsformerei ist die älteste Einrichtung der Staatlichen Museen zu Berlin. Seit 1819 werden hier Repliken von Kunstwerken aus allen Epochen und Ländern hergestellt. Wir haben euch zehn Mastermodelle herausgesucht, hinter denen sich interessante Kunst-Geschichten verbergen.
Die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin stellt seit fast 200 Jahren Gipskopien von Kunstwerken für Museen und Privatsammler her. So genannte Mastermodelle dienen den Experten dabei als Referenzmodelle, von denen immer wieder neue Abgussformen abgenommen werden können. Da die Mastermodelle meist direkt von den Originalen abgenommen werden, kommen sie diesen am nächsten. Sie werden gehütet wie ein Schatz und sind teilweise selbst mehrere hundert Jahre alt. Wir waren vor Ort in der Gipsformerei und haben uns einige der interessantesten Mastermodelle angeschaut. Unsere zehn Highlights findet ihr hier:
Die Laokoon-Gruppe ist eine der bekanntesten Skulpturengruppen der Antike und zeigt den Todeskampf des trojanischen Apollo-Priesters Laokoon und seiner Söhne. Er wurde dafür bestraft, dass er vor dem trojanischen Pferd gewarnt hatte. Die Göttin Athene war darüber erzürnt und schickte tödliche Schlangen. Die Skulpturengruppe aus Rhodos stammt aus dem 1. Jhdt. vor Christi Geburt, sie wurde 1506 in Italien wiederentdeckt und gehört zu den berühmtesten Kunstwerken der Welt. Ein Mastermodell befand sich bereits 1844 in der Sammlung der Gipsformerei, 1877 wurde ein neuer Abguss direkt von der italienischen Marmorkopie gemacht.
Die Büste der Nofretete ist das Highlight der Berliner Museumslandschaft und zählt zu den größten Kunstschätzen des Alten Ägypten. Sie wurde im Dezember 1912 von Ludwig Borchardt in Armana entdeckt und gelangte ein Jahr später nach Berlin. Seither wurden unzählige originalgetreue Kopien angefertigt – das neueste Mastermodell wurde auf Grundlage eines 3D-Scans erstellt.
Antinous war ein Schützling und vermutlich Liebhaber des römischen Kaisers Hadrian. Nach seinem mysteriösen Tod im Jahr 130 n. Chr. wurde er zum Gott erklärt und vielerorts im Römischen Reich verehrt. In der Gipsformerei befindet sich seit 1844 ein Mastermodell der Büste einer römischen Kolossalstatue des Antinous als Dionysos-Osiris (mit Efeu-Krone, Stirnband, Zistrose und Pinienzapfen). In jüngster Zeit hat übrigens der zeitgenössische Künstler Jeff Koons eine Replik der Gipsformerei neben weiteren Objekten in seiner Arbeit „Gazing Ball“ verwendet.
Der Bronzeguss des Denkers in der Alten Nationalgalerie wurde direkt von dem französischen Bildhauer Auguste Rodin angekauft. Im Sockel kann man noch seinen Daumenabdruck vom ursprünglichen Tonmodell erkennen. Das Modell für einen Nachguss dieser berühmten Skulptur wurde für den ersten und einzigen Ministerpräsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, für dessen Dienstsitz in Schloss Niederschönhausen in Berlin angefertigt.
Was der SED-Politiker mit solch einem bourgeoisen Kunstwerk wollte, ist nicht überliefert – doch zumindest hat Dank Pieck das mehrteilige Mastermodell in der Gipsformerei den real existierenden Sozialismus überlebt.
Die Skulptur des Achill stammt ursprünglich aus dem Teesalon des Berliner Stadtschlosses und gehört zu einer Gruppe von zwölf mythologischen Figuren von Christian Friedrich Tieck, die Königin Elisabeth dort aufstellen ließ und die alle in der Gipsformerei vorhanden sind. Wie so viele Kunstwerke hat auch dieses Original das turbulente 20. Jahrhundert nicht überstanden. 2015 gelang es den Fachleuten der Gipsformerei jedoch, aus zwei unvollständigen Abgüssen ein neues, komplettes Mastermodell zu erstellen.
Der David von Donatello wird auch „Bronzedavid“ genannt und entstand bereits um 1444 für die berühmte Familie Medici in Florenz und gilt als die erste lebensgroße Darstellung eines männlichen Aktes seit der Antike.
Das Mastermodell der Gipsformerei wurde während einer Abformkampagne im Jahr 1875 direkt vom Original in Italien abgenommen.
Die Segmente der Marc-Aurel-Säule bilden den größten Abguss in der Gipsformerei. Das knapp 40 Meter hohe Original wurde vor 198 n. Chr. in Rom errichtet und steht noch heute an seinem ursprünglichen Standort auf der Piazza Colonna. Es enthält die spiralförmige Darstellung der siegreichen Kriege, die der Kaiser Marc Aurel gegen die Markomannen und die Sarmaten geführt hatte. Die Mastermodelle der Gipsformerei wurden vor über 100 Jahren vor Ort abgenommen und geben einen besseren Erhaltungszustand wieder als das Original heute aufweist, da es durch Luftverschmutzung und Umwelteinflüsse stark korrodiert ist.
Kunstliebhaber des 17. und 18. Jahrhunderts waren verzückt vom so genannten „Borghesischen Fechter“, einer antiken Marmorkopie nach einem bronzenem Original des Agasias von Ephesos aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.. Die Skulptur wurde Anfang des 17. Jahrhunderts entdeckt, ab 1611 restauriert und ab 1613 in der Villa Borghese in Rom gezeigt. Während des Barock prägte das berühmte Stück die gesamte Bildhauerei nachhaltig. Seit 1807 steht das Original im Louvre, 1844 wurde ein Mastermodell für die Berliner Gipsformerei angefertigt. Vor dem Schloss Charlottenburg stehen heute zwei Abgüsse, die mit Schwert und Schild ergänzt sind.
König Friedrich II., auch bekannt als Friedrich der Große oder kurz: Alter Fritz, war der Begründer der Großmacht Preußen im 18. Jahrhundert und ist bis heute eine der bekanntesten historischen Figuren in Deutschland und Europa. Er galt als entschlossener Kriegsherr, aber auch als großzügiger Förderer der Künste und Wissenschaften. Die in der Gipsformerei vorhandene Totenmaske ist das letzte Abbild des Königs und wurde in der Todesnacht unter widrigen Umständen von dem Potsdamer Bildhauer Johannes Eckstein in Schloss Sanssouci abgenommen. Solche Masken waren im frühen 19. Jahrhundert äußerst populär und wurden in den Häusern preußischer Bürgerfamilien ausgestellt, um deren patriotische Gesinnung zu demonstrieren.
Die Gesichtsmaske wurde dem Dichter und Staatsmann Johann Wolfgang von Goethe im Oktober 1807 vom Weimarer Hofbildhauer Karl Gottlieb Weißer (1780-1815) auf Wunsch des Schädelforschers Franz Joseph Gall abgenommen. Sie gilt nach neuesten Forschungen als einziges lebensechtes Porträt des Dichters. In den Jahren 1807/08 hat Weißer nach dieser Gesichtsmaske eine Büste modelliert. Auch die rechte Hand Goethes ist im Formbestand der Gipsformerei als Lebendabformung vorhanden.
Derzeit hält der rätselhafte Meister Hieronymus Bosch die Besucher der Gemäldegalerie in seinem Bann. Ina Dinter, Mit-Kuratorin der Ausstellung, erklärt am Beispiel der Zeichnung “Das Feld hat Augen, der Wald hat Ohren” die Bildsprache und Symbolik des Meisters.
Eine der interessantesten und meistbeforschten Zeichnungen des großen Meisters Hieronymus Bosch ist seine Arbeit „Das Feld hat Augen, der Wald hat Ohren“. Sie gehört aufgrund der bildmäßigen Ausführung zu drei „Meisterblättern“. Noch bis zum 27. November ist das Werk in der Ausstellung „Hieronymus Bosch und seine Bildwelt im 16. und 17. Jahrhundert“ in der Gemäldegalerie zu sehen. Danach wird es aus konservatorischen Gründen gegen eine andere Zeichnung von der Hand Boschs aus der Sammlung des Kupferstichkabinetts ausgetauscht.
Die Darstellung ist auf den ersten Blick rätselhaft: Mittig steht vor der Kulisse eines kompakten Laubwaldes auf einem sanft gewölbten Hügel ein mächtiger abgestorbener Baum. Im Astwerk sitzen vier Vögel, in der Baumhöhle eine Eule und in einer weiteren Höhlung im Fuß des Baumes Fuchs und Hahn. Aus dem Feld blicken sieben Augen aus dem Bild heraus und im Wald stehen zwei Ohren.
Ein Holzschnitt von 1546 zeigt, dass die Federzeichnung einen Bezug zu einem im 15. und 16. Jahrhundert gebräuchlichen Sprichwort hat. Auf dem Holzschnitt ist das Feld mit Augen übersät, die zahlreichen Ohren sind an Baumstämme, Äste und Baumkronen angeheftet. Die Vielzahl an Augen und Ohren, die eindeutige Gestik des den Betrachter ins Bild führenden Mannes und natürlich die Inschrift im Kasten über der Figur – „Das Feld hat Augen / der Wald hat Ohren / Ich will sehen, schweigen und hören“ – verdeutlichen das Sprichwort, das dazu gemahnt, in der Öffentlichkeit auf seine Worte zu achten.
Die Eule trägt ein Geheimnis
Zwar stellt auch Boschs Zeichnung den genauen Wortsinn dar, doch ist das Sprichwort bei ihm Teil eines umfassenderen Bildprogramms. Dazu gehören auch die Assoziationen und Kontraste von Wald und Feld, die realen Gefahren, die von Naturgewalt, wilden Tieren, Räubern ausgehen. Der Wald als das Dunkle, Unheimliche und das Dickicht, in dem man Gefahr läuft, sich zu verlieren, kontrastieren in der Zeichnung mit dem freien, hellen Feld, dem vollkommen Offenen, das dadurch aber nicht weniger gefährlich ist. In diesem Kontext ist auch die Eule zu deuten. Es handelt sich um einen Steinkauz, eigentlich eine der kleinsten Eulenarten, die hier jedoch proportional zu den Tagvögeln zu groß dargestellt ist. Sie ist also in der historisch häufig angewandten Bedeutungsperspektive dargestellt, bei der nicht die tatsächlichen perspektivischen Relationen, sondern die Wichtigkeit der Elemente im Bild über die Größenverhältnisse bestimmen.
Die Eule ist eines der Tiere, die in verschiedenen Kontexten sehr Gegensätzliches symbolisieren können. Die Vielzahl der Eulen in Boschs Œuvre weist darauf hin, dass der Künstler die Mehrdeutigkeit des nachtaktiven Vogels für seine Kunst schätzte. In diesem Beispiel befolgt sie den Rat des Sprichworts: Das weise Tier hat in einer Baumhöhle Schutz gefunden, wo es ruhig und statisch sitzt, beobachtet und schweigend lauscht – im Gegensatz zu den zwei flatternden und kreischenden Tagvögeln über ihm. Bosch bezieht sich hier auf ein Motiv aus der Naturbeobachtung: Die anderen Vögel nehmen die Eule als Gefahr wahr und versuchen sie zu vertreiben, ein Phänomen, das damals auch bei der Vogeljagd bewusst eingesetzt wurde.
Weisheit und die Weissagung von Unheil sind der Bedeutungshorizont, der sich uns erschließt. Dummheit und Leichtgläubigkeit sind in Boschs Zeichnung dem Hahn zuzuschreiben, der sich arglos dem listigen Fuchs nähert. Die Fabeltiere sind in kleinem Format und wenigen Strichen skizziert. Die Eule ahnt, welches Unheil hier droht. Sie ist ein Waldvogel, niederländisch Bosvogel, worin „boz“, böse, steckt – die Eulenikonographie akzentuiert das Sprachspiel, an dem der Künstler, der seinen Beinamen „van Aken“ in „Bosch“ änderte, sichtlich Gefallen fand. Auch die einfach strukturierte Komposition des Blattes hat einen Bezug zur Stadt, genauer zum Stadtsiegel von ’s-Hertogenbosch, das einen mächtigen Baum zeigt, der von zwei kleineren flankiert wird.
Mit Neid und Missgunst ist zu rechnen
Einen weiteren Schlüssel zur Deutung des Blattes bietet die lateinische Inschrift am oberen Bildrand: „Derjenige ist freilich armen Talentes, der stets nur Erfundenes anwendet und nie das zu Erfindende.“ Es handelt sich um ein Zitat aus dem damals verbreiteten Lehrtraktat „De disciplina scholarium“. Es gilt, eigene Bilderfindungen hervorzubringen anstatt schon Vorhandenes zu wiederholen. Die prominente Platzierung auf der Zeichnung steht für das künstlerische Selbstverständnis und (kunst-)historische Bewusstsein der Frührenaissance. Sprichwort und Tiere sind denn auchals Mahnung zu deuten, die Kunstentwicklungen zu verfolgen und sich vor Nachahmern in Acht zu nehmen.
Ob es sich bei den aufgeregten Vögeln im Baum um Elstern mit ihrem genuin imitativen und diebischen Charakter handelt oder nicht: Mit Neid und Missgunst anderer Künstler ist zu rechnen. Doch ist die Eule nicht in der Opferrolle; in ihrem Streben nach Herrschaft über die anderen Vögel – wie aus einer zeitgenössischen Fabel hervorgeht – verkörpert sie auch den Hochmut. Der Adressat der Zeichnung wird also zugleich vor Überheblichkeit gewarnt. Die Eule ist in diesem Werk weder positiv noch negativ konnotiert. Sie wird in Boschs Œuvre in ihrer Komplexität ausgelotet, und steht hier in gewisser Weise auf einer Metaebene für Boschs Kunst als Ganze.
Das Bilderrätsel aus „ogen“ (Augen) und „bos“ (Wald) ist ein linguistisch-autobiographischer Verweis auf den Namen der Stadt, in der das Werk entstand und die Teil des Künstlernamens wurde. Das Sprichwort wird im späteren Holzschnitt geradezu erläutert, bei Bosch dagegen bleibt der Bezug zu enträtseln. So wird Wert der Erfindung auch über den Betrachter des Kunstwerks definiert. Mit dem Ziel einer Einheit des Bildkonzepts werden Motive wie Eule oder Wald und Feld in variierenden, sich jedoch ergänzenden Bedeutungsebenen eingesetzt. Bezieht man die Sinnebenen aufeinander, wird schnell deutlich, dass sie sich weder ausschließen noch widersprechen. Der Bezug zu ’s-Hertogenbosch ist zu verstehen als Reflexion des Künstlers, zum einen über seine Schaffensbedingungen und -grundlage, zum anderen über Sprachspiel und Bilderrätsel als Bildmöglichkeiten. Die sprachlich-autobiographische Ebene demonstriert die Ausdrucksmöglichkeiten der Kunst ebenso wie die geographische, persönliche und vielleicht auch historische Verortung eines Künstlers.
Zeichnerische Deklaration des Künstlers
Auch das Stilistisch-Zeichnerische ist interessant. Das Bildmotiv ist zügig aufs Blatt gebracht und aufs Wesentliche beschränkt. Die Idee ist geistig vorgebildet und entsteht mit der Feder, was sich an den beiden Vögeln links und rechts außen zeigt, deren Linien die Striche der Zweige überschneiden. Die subtile Strichführung, die variable Nutzung der Feder, die bei Bosch je nach organischer oder haptischer Beschaffenheit einer Figur dünner oder breiter, kratziger oder weicher werden kann, entspricht in ihrer Neuartigkeit ganz dem Thema der Zeichnung.
Das Blatt ist eine der frühesten autonomen niederländischen Zeichnungen. Die Skizzen auf der Rückseite des Blattes, die ab dem 29. November für zwei Wochen zu sehen sein werden, geben Aufschluss über den Lehr- und Werkstattbetrieb Boschs. Die souveräne Zeichnung eines schräg von hinten gezeigten Bettlers mit Almosenschale und das Hündchen auf seinem Kopf sind von der Hand Boschs und in derselben Tinte ausgeführt wie die Zeichnung der Vorderseite. Neben einem Architekturelement, dem Kopf eines Mischwesens, sowie einigen Kopfskizzen, beziehen sich die meisten Zeichenübungen auf dem Blatt auf die Bettlerfigur, ihren Schuh, den Napf und den Hund. Es haben wohl mehrere Zeichner das Blatt zu Übungszwecken genutzt.
Die von der Werkstatt verwendete Rückseite unterstreicht die Bedeutung des Blattes einmal mehr: Nicht als Sammlerstück war es gedacht, sondern als zeichnerische Deklaration eines Künstlers an andere Künstler, an Schüler, Kollegen und Nachfolger, im Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten. In dieser zweifelsohne modernen Deutung, die den humanistischen und Renaissance-Diskursen jedoch nicht widerspricht, entpuppt sich Boschs Zeichnung als ambitioniertes autonomes Werk, das das künstlerische Selbstverständnis um 1500 reflektiert.
Weihnachten ist nah und das große Geschenkeshoppen geht los – wir machen es euch leicht und haben zehn heiße Tipps aus unseren Museumsshops zusammengestellt.
Die Faszination für die Bilder Caspar David Friedrichs ist ungebrochen. Mit seinen in Mondschein getauchten Landschaften, den knorrigen Bäumen und nebelverhangenen Gebirgslandschaften, zählt er zu den wichtigsten Malern der Romantik. Indem er die überlieferte Vorstellung der Landschaftsmalerei unterwanderte, die klassische Perspektive außer Kraft setzte und zu einer formalen Radikalität der Komposition fand, gilt er als Wegbereiter einer neuen Kunst. Mit der Betonung der menschlichen Einsamkeit in Konfrontation mit der Unendlichkeit der Natur berühren seine Gemälde auch heute noch den Betrachter.
In der Mitte des Anhängers befindet sich eine Lotosblüte, die aus Golddrähten und Glasfluss gefertigt ist. Lotus ist eine der bedeutendsten Symbolpflanzen des ägyptisch-nubischen Kulturraumes, die als Bild der Regeneration, Geburt und Wiedergeburt sowie Lebensspende über den Tod hinaus verstanden wurde. Es handelt sich um das einzige Stück seiner Art, das zusammen mit zahlreichen weiteren Schmuckelementen im Grab der meroitischen Königin Amanishakheto gefunden wurde, die um Christi Geburt regierte.
Karl Friedrich Schinkels „Sternenhalle der Königin der Nacht“ ist das wohl bekannteste Bühnenbild der Welt und zugleich eine der eindrucksvollsten Bilderfindungen der deutschen Romantik. Die „Zauberflöte“ hatte in der Berliner Oper am 18.Januar 1816 ihre Premiere. Unter Schinkels Händen wird der Thronsaal zum Sternenzelt. Die Faszination des Bildes gründet in dessen klarer Symmetrie, dem Kontrast zwischen der rahmenden warmen und der beherrschenden kühlen Farbigkeit. Hinzu kommt die kühne Umdeutung eines bekannten Motivs aus der christlichen Ikonographie: die „Mondsichelmadonna“, die das Böse besiegt, wird hier zur schwarzen Königin.
Sowohl in der spartanischen Kolonie Tarent als auch in den einheimischen Zentren der Daunier, Peuketier und Messapier in Apulien wurden die Verstorbenen der Oberschicht mit großer Pracht und erheblichem Aufwand bestattet. Unterirdische Grabkammern waren oft wie die Innenräume eines Hauses mit Säulen oder Wanddekorationen ausgestaltet. Die Verstorbenen lagen in Sarkophagen und die Grabkammern waren mit großen Vasen, Symposionsgeräten, Terrakotten, Kosmetikutensilien und Goldschmuck ausgestattet. In Tarent wurden seit dem 4. Jh. v. Chr. als oberirdische Markierung über Sarkophagen oder Kistengräbern aufwendige Steinmonumente mit Säulen, Giebeln und Skulpturenschmuck errichtet. Solche kleinen Grabtempel (griech. Naiskoi) sind auf apulischen Vasen abgebildet. Die rotfigurige apulische Keramik wurde zudem häufig mit ausgefallenen griechischen Mythenbildern verziert und zum überwiegenden Teil speziell für die Verwendung im Grab angefertigt. In großen Mengen wurde sie auch in das italische Hinterland exportiert und dort zusammen mit einheimischer Keramik in die Gräber gelegt.
Iznik-Fliesen aus der Zeit zwischen 1490 und 1700 sind für ihre leuchtende Farbpalette, ihre klare Glasur und ihre Blumendekore berühmt. Die Stadt Iznik liegt im Nordwesten der Türkei, nicht weit von Istanbul entfernt. In den dortigen Werkstätten wurde das Fliesenfeld des 16. Jahrhunderts für den Hof des osmanischen Sultans hergestellt. Die Musterentwürfe stammten aus dem Hofatelier in Istanbul. Zu großen Paneelen zusammengesetzt schmücken diese Fliesen noch heute vor allem die Innenräume osmanischer Moscheen und Paläste, erscheinen aber auch an Fassaden.
Es war die Monet-Ausstellung von 1880, die Paul Signac veranlasst hat, die Schule zu verlassen, um ein Impressionist zu werden. Wie ein solcher malte er nun im Freien, am Montmartre und an den Flussufern. Die Monetausstellung von 1883 ließ ihn seines künstlerischen Vorbildes nur noch sicherer werden. Der damaligen gestrichelten Malweise Monets und dem klaren Aufbau seiner Stillleben auf meist ansteigender Tischplatte folgt Signac mit diesem Stillleben, dem anspruchsvollsten unter denen der frühen achtziger Jahre.
Bildbestimmend ist das blau-grüne Buch an der vorderen Tischkante mit dem erkennbaren Titel “Au soleil”. Der belesene Paul Signac, dessen Bibliothek in der ersten Biographie über ihn besondere Erwähnung fand, hat es sicher nicht nur nach der Farbe für dieses Stillleben ausgewählt. Die im Jahr zuvor erschienene Reiseerzählung von Maupassant entsprach seinem Lebensplan. Signac wird später ans Mittelmeer übersiedeln und ein Leben lang auf Reisen sein.
Die Büste der Nofretete wurde am 6. Dezember 1912 während Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in der Stadt Achet-Aton (heute Amarna) in einer Werkstatt gefunden, die einem Bildhauer namens Thutmosis zugewiesen wird. Der Kern der Büste besteht aus Kalkstein und wurde mit einer bemalten Stuckschicht modelliert. Im rechten Auge befindet sich eine Einlage aus Bergkristall, in die eine Pupille aus Wachs eingesetzt wurde.
Die etwa lebensgroße Marmorskulptur wurde im Auftrag des russischen Botschafters in Wien, Graf Andrej Razumowskij, von Antonio Canova geschaffen. In graziöser, scheinbar schwereloser Bewegung dreht sich die Tänzerin auf einem Bein um die eigene Achse, während sie in den erhobenen Händen elegant die Zimbeln hält. Das zarte, antikisierende Gewand zeigt den wohlgeformten Körper mehr als es ihn verhüllt. Voller Anmut ist der ebenmäßig gebildete und sorgfältig frisierte Kopf der Tänzerin zur Seite geneigt. Zu der aus Carrara-Marmor gefertigten Figur gehört ein rundes, mit Blumengirlanden geschmücktes marmornes Postament, auf dem die Statue gedreht werden kann. Ihr ursprünglicher Besitzer hatte so die Möglichkeit, Schönheit und Vollkommenheit des Bildwerks unter Berücksichtigung des jeweils einfallenden Lichts wahrzunehmen. Kaufen
Botticellis Venus gehört zu den populärsten Bildschöpfungen der Renaissance. Bereits die Zeitgenossen des Malers rühmten seine anmutigen weiblichen Aktdarstellungen. Die Berliner Fassung der nackten Liebesgöttin mit dem wehenden blonden Haar variiert die zentrale Figur des monumentalen Gemäldes „Die Geburt der Venus“ in den Florentiner Uffizien.
Ein gähnendes Nilpferd bietet keine ehrerbietende Haltung, die doch für eine wie auch immer geartete Verehrung Voraussetzung sein sollte. Tatsächlich ist nicht bekannt, dass Nilpferde überhaupt im Mittleren Reich, der Zeit der Fertigung zeittypischer Tierfiguren aus Fayence, als heilig angesehen wurden, obwohl gerade aus jener Zeit eine große Anzahl an verkleinerten Nilpferdfiguren erhalten sind. Die Vermutung liegt nahe, dass sie in einer sehr entrückenden Form die Nillandschaft repräsentieren sollten, um dem Verstorbenen seine natürliche Umwelt auch im Jenseits zu bewahren. Kaufen
Lange waren die Holzbauten der Seidenstraße kaum bekannt. Das Museum für Asiatische Kunst in Berlin-Dahlem hat Gebäudeteile der alten Tempelstadt Kočo jetzt rekonstruiert und ausgestellt. Ein Rundgang mit Lilla Russell-Smith, Kuratorin für Zentralasiatische Kunst.
13. Dezember 2016. Es herrscht Aufbruchsstimmung in Berlin-Dahlem. Seit Monaten bereitet das Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin seinen Umzug ins Humboldt Forum vor. Das Erdgeschoss ist bereits beräumt. Ein Stock weiter oben: eine kleine Sensation. Die Ausstellung „Die Ruinen von Kočo: Spuren von Holzarchitektur der alten Seidenstraße“ zeigt weltweit einzigartige Artefakte aus dem 5.-10. Jahrhundert: Säulenteile, die Häuser stützten, reich bemaltes Gebälk mit noch immer satten Farben, und Pfeiler, die das Fundament neuer Tempel markierten, dazu Textfragmente in längst toten Sprachen, Skulpturen und seltene Malereien auf Seide. Viele der Objekte stammen aus Kočo, einst eine der großen Städte der Seidenstraße am nordwestlichen Rand Chinas. Und: Viele von ihnen sind erstmals öffentlich zu sehen.
Kulturelle Schmelztiegel in der zentralasiatischen Wüste
Von 1902 bis 1914 hatten Berliner Forscher in vier „Turfan-Expeditionen“ die Objekte auf ihrer Suche nach Spuren der alten Seidenstraße geborgen. 100 Jahre später hat sie das Museum für Asiatische Kunst, finanziert durch die Gerda Henkel Stiftung, in einem Projekt erstmals wissenschaftlich erschlossen. Die untersuchten Stücke zeugen von einer wohlhabenden Region. Obwohl in einem der unwirtlichsten Flecken der Welt gelegen, sprudelte dort das Leben in imposanten Städten und Tempelanlagen, verbanden sich Sprachen, Kulturen und Religionen. Kočo war ein solcher Glanzpunkt am Rand der Wüste Taklamakan: Hier trafen chinesische Siedler und Soldaten auf Sogdische Händler und verewigten sich Uighuren als buddhistische Tempelstifter.
Lilla Russell-Smith bleibt vor einem verzierten Kapitell aus dem 8.-10. Jahrhundert stehen: Eingeschnitzt in das helle Holz zeichnen sich die Windungen des Akanthusblattes ab, einem Erfolgsdesign der Geschichte: Varianten des Motivs benutzten Handwerker in Athen, Palmyra, Byzanz und eben auch in Kočo. „Materielle Zeugnisse wie diese Holzkapitelle zeigen, wie verschiedene kulturelle Einflüsse genutzt und an die lokalen Gegebenheiten anpasst wurden“, sagt die Kuratorin und blickt in den letzten Raum, das Herzstück der Ausstellung: hier sind Balken- und Deckenkonstruktionen aus ca. dem 10. bis 11. Jahrhundert wiedererstanden – wahre Kulturkonglomerate mit farbigen Blumenranken im uighurischen Stil, errichtet nach chinesischer Bauweise, aber vermutlich wie in Zentralasien üblich fest verbunden mit Lehmwänden.
Die Holzarchitektur der Seidenstraße – heute ein Phantom
Als zwischen 1902-1914 die Expeditionen unter der Leitung von Albert Grünwedel und Albert von Le Coq die Seidenstraße erreichten, so erzählt Russell-Smith, war Kočos Hochphase schon lange vorbei und viele Gebäude nur noch Ruinen. Unter den Objekten, die sie vor Ort bergen konnten, waren auch jene Balken, Kapitelle und Fragmente, die sie später nach Berlin brachten. Die Arbeit früher Expeditionen betrachte die heutige Forschung aber mit gemischten Gefühlen, so die Kuratorin: Grünwedel, Le Coq und auch britische, japanische, russische und amerikanische Forscher gingen nicht immer zimperlich mit den alten Stätten um. Malereien aus verlassenen Tempeln wie im benachbarten Bezeklik wurden kurzerhand aus den Wänden gesägt.
„Das ist für uns heute ein schmerzlicher Anblick“, kommentiert die Kuratorin, „Im Fall der Holzobjekte war der Abtransport aber ein Glücksfall. Andernorts ist die Holzarchitektur der alten Seidenstraße kaum erhalten. Was blieb sind bloße Spuren: Abdrücke von verschwundenem Holz im umgebenden Gestein oder Rußablagerungen nach Bränden. Dass wir heute noch diese Fragmente haben mit Farben als wären sie gestern erst bemalt worden, ist unglaublich.“
Anfang des 20. Jahrhunderts nutzen die Menschen der Region die Stätte: Bei winterlichen Temperaturen von bis zu -50°C dienten die Holzreste als Brennstoff. Da sie Minerale und Stroh enthielten, wurden Tempelmauern zu Düngemittel zerrieben. „Wollen wir verstehen, wie die Stadt vor 100 Jahren aussah, kommen wir um Grünwedels Notizen nicht herum”, meint Russell-Smith. Anders als andere Stätten der Seidenstraße genießt Kočo erst seit den 1980er Jahren den Schutz der örtlichen Behörden. Die archäologische Erschließung läuft gerade an.
Zwei Weltkriege, geteilte Sammlungen und lange fehlende Ressourcen zollten allerdings auch in Berlin ihren Tribut, fügt die Kuratorin hinzu: „Grünwedel und Le Coq konnten die Sammlung nur ansatzweise erforschen. Die letzte Turfan-Expedition endete zum Beginn des Ersten Weltkriegs. 1943 evakuierte das Museum die Depots. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Teile der Sammlung nach Russland abtransportiert. Was in Berlin blieb, war 1977 erstmals Thema einer Doktorarbeit. Im gleichen Jahr wurden 226 Objekte restituiert, aber in Leipzig ungeöffnet eingelagert. Zurück nach Berlin gelangten sie erst 1992. Von Ausstellen konnte so lange nicht die Rede sein.”
Die Vorbereitungen für das Humboldt Forum haben das geändert. Mit dem Umzug des Museums von Dahlem in Berlins Mitte geht ein verändertes Ausstellungskonzept einher. „Dazu werden auch solche Objekte restauriert und neu erforscht, die lange im Depot lagern mussten”, betont Russell-Smith. Mit Klaas Ruitenbeek, dem Direktor des Museums, habe sie deshalb zunächst versucht zu rekonstruieren, wie die Holzfragmente und Gebälkteile ursprünglich aufgebaut gewesen sein mussten. „Nachdem wir zum ersten Mal zusammengehörige Teile identifiziert und im Depot arrangiert hatten, waren wir elektrisiert”, erinnert sie sich. Die Euphorie jenes Moments sieht man ihr noch immer an.
Realitätscheck in Kočo
Gefördert von der Gerda Henkel Stiftung initiierte das Berliner Team ein zweijähriges Projekt, das auch nach Kočo führte. „Grünwedels Karte der Ruinen wird bis heute auch in China benutzt. Allerdings hat er die Fundorte der Objekte nicht immer genau beschrieben und auch keine exakten Messungen durchgeführt. Es sind lediglich topologische Zeichnungen. Man muss sich das vorstellen wie einen U-Bahn-Plan, der Stationen aufzählt aber nicht die Distanzen zentimetergenau wiedergibt. Wo welches Gebäude genau stand, ist nicht immer leicht zu sagen.“
Als wichtige Korrektive dienten verbesserten Satellitenkarten von Kočo, die am Japanese National Institute of Informatics 2013 von Yoko Nishimura und Erika Forte angefertigt worden waren. Auf dieser Basis erarbeiteten die Berliner eine Bestandsaufnahme der Bauten in der Ruinenstadt. Essentiell waren dabei Grünwedels Fotografien, aus Kočo. „Grünwedel arbeitete mit Glasnegativen. Dazu transportierte er hunderte Glasplatten durch die Wüste und baute sich vor Ort ein Fotolabor auf. Die dazu nötigen Chemikalien hatte er eigens aus Deutschland mitgebracht”, so Russell-Smith. Eine dieser Glasplatten liegt dezent in einer kleinen Vitrine am Eingang der Ausstellung. Doch die Qualität der Aufnahmen ist so gut, dass sich einzelne Bauteile problemlos erkennen lassen.
Abzüge von damals und heute in der Ausstellung verdeutlichen den Wandel: Viele Gebäude, die Grünwedel noch um 1914 fotografieren konnte, sind weiter verfallen oder bereits verschwunden. Restauratoren aus China versuchen, das Übrige zu retten. Gemeinsam mit Forschern der örtlichen Turfan Research Academy und dem Archäologen Giuseppe Vignato (Peking Universität) war es dennoch möglich, Grünwedels alte Grundrisszeichnungen zu verfeinern. Vignato konnte zudem einige Gebäude in Kočo identifizieren, die noch Spuren von Holzanbauten zeigen.
Kloster Beta in der Ruinenstadt Kočo Xinjiang, China im Jahr 2015, Foto: Lilla Russell-Smith
Ein Sprungbrett für Kooperation
Wie vielfältig das Leben in und um diese Gebäude war, zeigen Manuskripte, beschriftete Holzobjekte und Malereien in der Ausstellung. Mit Experten der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und der Turfan-Forschungsgruppe der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften konnten Inschriften entschlüsselt und getrennte Fragmente einander zugeordnet werden.
„Weltweit ist die Zahl derer, die die alten Sprachen der Seidenstraße noch beherrschen äußerst überschaubar“, betont Russell-Smith. Gleichzeitig befänden sich bedeutende Sammlungen etwa in China, Indien, Japan, Korea, Deutschland, Russland, den USA, Großbritannien, und Frankreich. Ohne enge internationale Kooperation sei die Erforschung der Region deshalb unmöglich. In den Augen Russell-Smiths sei es deshalb essentiell, sich zu vernetzen: „Wir möchten den internationalen Austausch ausbauen. Während des Projekts hatten wir beispielsweise Chen Aifeng von der Turfan Research Academy in Westchina für drei Monate zu Gast und an Workshops 2015 und 2016 nahmen weitere Mitglieder seines Teams teil. Das war ein guter Anfang.“ Das Auswärtige Amt hilft nun dabei, die Beziehungen zu chinesischen und indischen Behörden und Institutionen zu vertiefen. Weitere gegenseitige Besuche sind in Vorbereitung. Gemeinsame Publikationen sind geplant.
Blaupause für das Humboldt Forum
Dank des Projekts werden die rekonstruierten Holzkonstruktionen dauerhaft unterhalb der Kuppel des Stadtschlosses zu sehen sein – ergänzt um weitere Architekturteile, auf die man nun aus Platzgründen verzichten musste. Damit nicht genug: „Ein Museum muss forschen, damit es die Geschichte der Objekte adäquat beleuchten kann, aber Forschung zu vermitteln ist ebenfalls wichtig“, meint die Kuratorin. Für die Seidenstraßen-Ausstellung im Humboldt Forum konzipiert sie derzeit ein „Labor“, in dem laufende Untersuchungen und neueste Ergebnisse vorgestellt werden sollen.
„Wir haben uns bei unserer letzten Ausstellung bewusst für eine Forschungsausstellung entschieden. Das Informationsvolumen rund um die Objekte ist gewaltig und nur schwer mit konventionellen Wandtexten zu vermitteln. Wir haben ein gutes Gefühl bekommen, was funktioniert und was nicht. Aus den Ergebnissen speist sich ein guter Teil der Inhalte, die wir für Apps und Medienstationen im Humboldt Forum verarbeiten werden.“
Beim Blick in ihre letzte Ausstellung am alten Standort, aber in Gedanken bereits in Berlin-Mitte, kommt sie dann noch ins Schwärmen: Wirklich bahnbrechend wäre es, wenn man durch engere internationale Kooperation erreichen könnte, dass Objekte aus den weltweit verteilten Sammlungen im Museum digital abgerufen und mit dem jeweiligen Exponat verglichen werden könnten. Erst so käme man der Dynamik und Komplexität dieser einzigartigen Kulturregion ein Stück näher.
Das Gespräch führte Silvia Faulstich.
Projektdaten
„Medieval pre-Islamic architecture in Qočo on the Northern Silk Road: architectural, archaeological, art historical and scientific evaluation of a unique and unknown collection of wooden architectural elements in the Museum für Asiatische Kunst” (2013-2015)
Förderung: Gerda Henkel Stiftung
Projektverantwortliche: Prof. Dr. Klaas Ruitenbeek, Dr. Lilla Russell-Smith (Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin)
Der Begleitband zum Projekt ist ab sofort erhältlich: Lilla Russell-Smith, Ines Konczak-Nagel (hgg.): „The Ruins of Kocho: Traces of Wooden Architecture on the Ancient Silk Road““ Berlin: SMB, 2016, ISBN 978-3-88609-786-9.
Die zugehörige Ausstellung „Die Ruinen von Kočo: Spuren von Holzarchitektur der alten Seidenstraße“ ist im Museum für Asiatische Kunst, Lansstraße 8 zu sehen. Ab dem 8. Januar 2017 schließt das Museum für den Umzug ins Humboldt Forum. Zum Abschluss werden die Öffnungszeiten von Freitag, 6. Januar, bis Sonntag, 8. Januar 2017, auf täglich 10 bis 20 Uhr ausgeweitet.
Das Kunstgewerbemuseum am Kulturforum hütet Schätze aus mehreren Jahrhunderten Design und Kunsthandwerk – dazu gehört auch eine hochkarätige Sammlung von Mode von Barock bis H&M. Wir zeigen euch zehn Mode-Ikonen des 20. Jahrhunderts!
1. Ein Sommerkostüm mit Keulenärmeln
USA/Europa um 1895
Die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen und ihre generelle Präsenz im öffentlichen Leben beförderte um die Jahrhundertwende die Entwicklung des Kostüms als adäquate Tageskleidung. Hier zeigt es sich als sommerliches Kostüm aus kühlem Leinen, ganz im Sinne des Jugendstil gestaltet, mit geschwungenen Nähten in kurviger Linienführung.
2. Das Abendkleid „Delphos“
Mariano Fortuny, Italien um 1920
Fünf gerade Bahnen fein plissierter Seide sind das Material dieses antik anmutenden Gewandes, geschaffen von dem spanischen Maler, Fotografen, Chemiker und Physiker Mariano Fortuny (1871-1949). Seine Methode, Seide dauerhaft zu plissieren, ließ er sich 1909 patentieren und produzierte daraus diese „Delphos“ genannten Roben in allen Farbstellungen bis in die frühen 1940er Jahre.
3. Das Tanzkleid „Sorrente“
Jeanne Lanvin, Paris 1927/28
Das Kleid aus zartem Seidenvoile hat tiefe Dekolletés und Armausschnitte mit schmalen Schulterträgern. Ab Ausschnitthöhe ist es mit lose flatternden, nach unten größer werdenden fächerförmigen „Blättern“ besetzt. Diese sind mit größer werdenden, strahlend blauen Pailletten bestickt. Kräftiges Blau mit einer leichten Mauvetönung zählte zu den Lieblingsfarben von Jeanne Lanvin.
4. Ein Kleid mit Zackenmotiv
Coco Chanel, Paris 1925/26
Virtuos wurde hier die glänzende und matte Wirkung von Vorder- und Rückseite des reinseidenen „Crêpe Satin“ ausgenutzt um einen expressionistischen Zackendekor zu realisieren. Mit diesen eleganten, doch zugleich alltagstauglichen Kleidern verhalf Coco Chanel (1883-1971) dem Typus des „Kleinen Schwarzen“ zu einem bis heute andauerndem Erfolg.
5. Ein Abendkleid mit Sicherheitsnadeln
Gianni Versace, Italien 1994
Gianni Versace (1946-1997) hat in diesem figurbetonten Kleid im Säulenschnitt die klassische Form mit modernsten Materialien und Zitaten der Punkmode kombiniert. Von seiner großen Kennerschaft der Stoffherstellung und -veredelung zeugt die Verwendung des schweren, kunstseidenen Doppelgewebes, ein Cloqué in Knitteroptik. Die Seitennähte sind nach vorn verlegt und werden, ebenso wie der nabeltiefe Ausschnitt, von dreizehn übergroßen gold- und silberfarbenen Sicherheitsnadeln zusammengehalten.
6. Ein Abendkleid mit schwarzem Spitzenbesatz
Cristóbal Balenciaga, Paris um 1949
Der spanische Modeschöpfer Cristóbal Balenciaga (1895-1972) ließ sich von Velázquez‘ Gemälde Las Meninas zu diesem Prinzesskleid im Infanta-Stil anregen. Eine asymmetrisch gesetzte Spitzenkante betont die vertikale Linie von Korsage und Rock aus sanft schimmerndem Seidensatin.
7. Ein Mantelkleid im Stil des “New Look”
Christian Dior, Paris 1948
Das einteilige Mantelkleid mit schmaler Taille über betonten Hüften und weit schwingendem Rock verdeutlicht die 1947 von Christian Dior (1905-1957) lancierte und heute als New Look bezeichnete Modelinie. Sie revolutionierte die Nachkriegsmode und steht für eine Rückkehr zu Weiblichkeit, Luxus und Opulenz.
8. Das zweiteilige Cocktailkleid „New York“
Yves Saint Laurent für Christian Dior, Paris 1958
Mit nur 21 Jahren übernahm Yves Saint Laurent (1936-2008) nach dem plötzlichen Tod von Christian Dior im Herbst 1957 die künstlerische Leitung des berühmten Couture Hauses. Mit der von ihm im Februar 1958 präsentierten Trapezlinie gelang es ihm, die Kontinuität des weltbekannten Couturehauses zu wahren. Das zweiteilige Cocktailkleid verdeutlicht die lose, die Taille negierende Linie und kombiniert ein schlichtes und kastiges Oberteil mit einem ausgestellten Rock.
9. Ein Blaues Kostüm mit Bluse
Coco Chanel, Paris um 1965
1954 eröffnete Coco Chanel mit 71 Jahren ihr seit 1939 geschlossenes Modehaus erneut. Insbesondere die amerikanische Modepresse beurteilte die von Chanel vorgestellten Kostüme sehr positiv und feierte die ungezwungene Art, sich elegant zu kleiden. Das knieumspielende Kostüm des Kunstgewerbemuseums hat alle Details, die ein typisches Chanelkostüm kennzeichnen: eine leicht taillierte Jacke mit vier aufgesetzten Taschen sowie Kragen und Revers, die einen tiefen V-Ausschnitt bilden. Er gibt den Blick auf die Bluse in frischen, passenden Farben frei.
10. Das Cocktailkleid „Rib Cage“
Pierre Cardin, Paris 1969
Für Pierre Cardin (1922) waren die Unendlichkeit des Universums und die mikroskopisch kleine Welt einer Zelle, Computer und Geometrie die Quellen seiner Inspiration. Er entwarf Kleider für die Welt von morgen. Auch dieses, den Körper lose umspielende, taillierte Kleid in Prinzesslinie mit einer auffälligen plastischen Edelstahlapplikation als Zierde, dokumentiert Cardins Interesse an technischen Innovationen.
Noch mehr Mode gibt es derzeit in der Ausstellung “uli richter revisited” im Kunstgewerbemuseum.
Restauratorin Leonie Gärtner im Ethnologischen Museum. Foto: Staatliche Museen zu Berlin
Der Umzug des Ethnologischen Museums von Dahlem ins Humboldt Forum ist in vollem Gange. Erst kürzlich wurden sieben große Ahnenpfähle aus West-Neuguinea im Dahlemer Depot abgebaut und für die Restaurierung vorbereitet worden. Die Restauratorin Leonie Gärtner begleitet den gesamten Prozess.
Um was für Objekte handelt es sich? Leonie Gärtner: Die bis zu sieben Meter hohen Pfähle stammen von den Ethnien der Kamoro und der Asmat. Sie sind aus Mangrovenholz geschnitzt, mit schwarzen, weißen und roten Pigmenten bemalt und mit Federn und Quasten aus Palmblatt verziert. Die Pfähle wurden für bestimmte Feste und Zeremonien zu Tod, Wachstum und Fruchtbarkeit hergestellt. Die geschnitzten Figuren stellen angesehene Verstorbene dar. In den Zeremonien wurden die guten Eigenschaften der Toten gepriesen und die Verstorbenen wurden schrittweise in das Reich der Toten verabschiedet. Nach der Zeremonie wurden die Pfähle traditioneller Weise in die Haine der Sagopalmen gebracht, wo die Figuren zerstört und die Pfähle der Verrottung preisgegeben wurden, damit ihre innewohnende Kraft das Wachstum der Palmen fördert.
Wie lange lagen die Pfähle im Depot?
Die beiden Ahnenpfähle der Kamoro kamen erst 2001 ins Museum und wurden seither im Depot aufbewahrt. Aber zwei der Ahnenpfählen der Asmat waren bereits in der Dauerausstellung Südsee und Australien des Ethnologischen Museums zu sehen. Die übrigen kamen 1995 ins Museum und waren damals auch gleich in einer Sonderausstellung zu sehen. Danach wurden sie im Depot eingelagert.
Mit vereinten Kräften werden die Ahnenpfähle eingepackt. Foto: Staatliche Museen zu Berlin
Was passiert nun mit den Objekten?
Die Ahnenpfähle sollen im Humboldt Forum ausgestellt werden. Bevor dies geschehen kann, müssen sie aber noch restauratorisch bearbeitet werden. Dazu wurden sie jetzt aus dem Depot in den Raum der ehemaligen Dauerausstellung Südsee gebracht. Nur dieser Raum ist groß genug, um die Restaurierung durchzuführen.
Wie läuft die restauratorische Arbeit ab?
Bis ein Team aus freiberuflichen Restauratoren Mitte 2017 damit beginnt, die Objekte zu bearbeiten, lagern sie staubgeschützt in einem eigens angefertigten Regal. Die Restauratoren werden bei allen Ahnenpfählen die Oberfläche reinigen, die matte, schwach gebundene Bemalung festigen und die brüchigen Pflanzenfasern sichern. Anschließend werden die Ahnenpfähle einzeln von einer Kunstspedition für den Transport verpackt. In der Verpackung werden sie dann noch einer Stickstoffbehandlung unterzogen, damit jegliche holzzerstörende Insekten getötet werden, die eventuell noch in ihnen verborgen leben. Ab April 2018 erfolgt dann der Transport der Ahnenpfähle zum Humboldt Forum.
Teils über sieben Meter hoch sind die Ahnenpfähle – logistisch eine Herausforderung. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Anna Mosig
Was ist für einen Restaurator das Besondere an den Pfählen?
Die Einbringung der Ahnenpfähle in das Humboldt Forum stellt eine Herausforderung dar, da alle Großobjekte erst durch das Hauptportal in die Eingangshalle geschafft und dann mit großen Gerüsten und Kranen in den ersten Stock gehoben werden müssen. Dort werden sie dann durch eine Öffnung in der Wand an ihren eigentlichen Ausstellungsort gebracht. Hier wird einerseits die logistische Planung des Transports und der Einbringung, andererseits auch die technische Durchführung sehr spannend. Auch wenn wir schon eine gewisse Erfahrung mit dem Kranen von großen Booten gemacht haben, ist es in dieser Größenordnung immer noch etwas Besonderes.
In welchem Zusammenhang werden die Objekte im Humboldt Forum ausgestellt?
Die Ahnenpfähle werden im Kubus „Häuser“ zu sehen sein. Hier werden verschiedene Beispiele aus der Architektur Ozeaniens und ihre gesellschaftliche Bedeutung gezeigt, darunter auch die schon in Dahlem präsentierten Abelamgiebel und das Männer-Klubhaus von Palau. Zusätzlich werden wir noch ein Prunkhäuschen aus Palau und das Innere eines Abelamhauses zeigen, die bisher noch nicht zu sehen waren. Alle diese Großobjekte gruppieren sich um einen meeting point, der auch für Veranstaltungen genutzt werden wird.
Die Ahnenpfähle aus der Südsee lagern nun vorübergehend im ehemaligen Ausstellungsraum des Ethnologischen Museums. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Claudia ObrockiDie Ahnenpfähle aus der Südsee lagern nun vorübergehend im ehemaligen Ausstellungsraum des Ethnologischen Museums. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Claudia Obrocki