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Alter Cranach in neuem Glanz

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In der Restaurierungsabteilung der Gemäldegalerie wurde gerade eine Arbeit aus der Werkstatt Lukas Cranachs des Älteren restauriert. Die Restauratorinnen Karin Kosicki von den Erfurter Museen und Babette Hartwieg von der Gemäldegalerie berichten von den Arbeiten.

In der Restaurierungsabteilung der Gemäldegalerie wurde gerade das „Barbara-Retabel“ aus der Werkstatt Lukas Cranachs des Älteren restauriert. Es umfasst acht beidseitig bemalte Nadelholztafeln, die ursprünglich paarweise übereinander angeordnet waren und so vier Flügel eines Altarretabels bildeten. Der Mittelschrein, an dem die Flügel befestigt waren, ist nicht mehr erhalten, ebenso wie vermutlich drei darin präsentierte Holzskulpturen in dreiviertel-Lebensgröße und die Skulpturen der inneren Flügelseiten. Interessiert hatten immer nur die Malereien, die aus dem nahen Umkreis Lukas Cranachs d. Ä stammen und acht Szenen aus der Barbara-Legende offenbaren, wenn man die äußeren Flügel öffnet. Bis vor einigen Jahren waren sie so als Dauerleihgabe der Gemäldegalerie im Angermuseum in Erfurt zu sehen.

Flügel des Retabels beim Auspacken in Erfurt. Foto: Babette Hartwieg
Flügel des Retabels beim Auspacken in Erfurt. Foto: Babette Hartwieg

Schon im August 2013 haben wir – das sind Karin Kosicki, die leitende Restauratorin der Erfurter Museen, und Babette Hartwieg, in gleicher Funktion an der Berliner Gemäldegalerie – im Depot des Angermuseums vor den beschädigten und unansehnlich gewordenen Tafeln gestanden und beraten, welches Restaurierungskonzept wir verfolgen sollten. Dabei wurde auch schnell klar, dass die instabilen, schadhaften Goldleisten durch neue, stabilere Rahmen ersetzt werden müssten. Wir berieten uns unter anderem darüber, wo die Restaurierung stattfinden kann und welche Geldgeber in Frage kommen. Als die Tafeln Ende 2014 im Restaurierungsatelier der Gemäldegalerie eintrafen, wurde noch deutlicher, dass die Qualität der Malerei unter dem gelben Firnis verborgen lag und es sich auch lohnte, die Außenseite des geschlossenen Retabels dem Publikum wieder zu zeigen. Die ganzfigurigen Darstellungen eines Mannes und der Maria mit dem Kreuz waren vermutlich im 19. Jahrhundert zersägt und die Gesichter wohl schon beim Bildersturm in Zeiten der Reformation im 16. Jahrhundert mutwillig zerkratzt worden.

Szenen der Barbara-Legende in Erfurt. Foto: Babette Hartwieg
Szenen der Barbara-Legende in Erfurt. Foto: Babette Hartwieg

Dank der unbürokratisch gewährten, großzügigen Unterstützung durch die Ernst-von-Siemens-Stiftung im Rahmen der Förderlinie „Kunst auf Lager“ konnte die freiberufliche Restauratorin Dörte Busch eine umfassende Konservierung und Restaurierung durchführen. Die Grundierungs- und Malschichten mussten zunächst gefestigt werden, dann wurde der Oberflächenschmutz entfernt und die Risse verleimt. Durch die Abnahme von Firnis, Übermalungen und Überkittungen konnte Dörte Busch viel vom Original wieder aufdecken. Mit neuen Kittungen, Retuschen und einem neuen Schutzüberzug haben die Bilder wieder viel von ihrer Strahlkraft gewonnen. Neue Rahmen orientieren sich an zeitgenössischen Vorbildern und bieten den verwölbten Holztafeln einen sicheren Halt.

Restauratorin Dörte Busch bei der Arbeit. Foto: Dörte Busch
Restauratorin Dörte Busch bei der Arbeit. Foto: Dörte Busch

Ende Juni hat Babette Hartwieg die Flügel nach Erfurt gebracht und gemeinsam mit dem dortigen Holzrestaurator mit Scharnieren an einem Ständerwerk montiert, so dass man sowohl die Innen- als auch die Außenseiten der äußeren Flügel zeigen kann. Das restaurierte Retabel ist im Rahmen der Ausstellung „Kontroverse und Kompromiss“ zunächst im Angermuseum zu sehen und verbleibt später als Dauerleihgabe weiter in Erfurt. Nachdem die Berliner Gemäldegalerie an Cranach-Werken reich bestückt ist, kommt das große Retabel im Kontext der Erfurter Sammlung hervorragend zur Geltung und wirbt dort sicherlich auch für die Staatlichen Museen zu Berlin.

Außenflügel des Barbara-Retabels. Foto: Dörte Busch
Außenflügel des Barbara-Retabels. Foto: Dörte Busch
Detail des Barbara-Retabels während der Firnis-Abnahme. Foto: Dörte Busch
Detail des Barbara-Retabels während der Firnis-Abnahme. Foto: Dörte Busch
Tafel des Barbara-Retabels. Foto: Dörte Busch
Tafel des Barbara-Retabels. Foto: Dörte Busch

Besuch aus Småland: Streichhölzer „Made in Sweden“

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Auch wenn Småland als Region nicht jedem bekannt ist, so fanden doch viele Erzeugnisse aus dieser schwedischen Provinz Eingang in unseren Alltag. Während der Laufzeit der Småländischen Kulturtage im Museum Europäischer Kulturen stellt die wissenschaftliche Volontärin Alina Helwig hier die wichtigsten småländischen Exportschlager vor. Diese Woche: Streichhölzer „Made in Sweden“.

Jeder kennt die Herkunftsbezeichnung „Made in“, die uns auf Bekleidungslabels, Elektronik oder Spielzeug begegnet und einer Signatur gleicht. Lange Zeit galt etwa „Made in Germany“ als Qualitätssiegel, während „Made in China“ eher Skepsis hervorrief. Jüngst avancierte „Made in Bangladesh“ zum Synonym für schlechte Arbeitsbedingungen in riesigen Textilfabriken. Aber „Made in Sweden“? Damit konnte ich bis zur Vorbereitung der Småländischen Kulturtage wenig anfangen. Bis ich erfuhr, dass zwei Brüder in Jönköping in den 1850er Jahren – zur gleichen Zeit als auch der Begriff „Made in Sweden“ aufkam – eine gewissermaßen zündende Idee hatten. Sie entwickelten das sichere Streichholz und machten damit die småländische Kleinstadt zum europäischen Zentrum der Streichholherstellung.

Mitte des 19. Jahrhunderts kamen erstmalig Zündhölzer zur Entfachung von Feuer zur Anwendung. Der schwedische Chemiker Gustaf Erik Pasch erfand 1844 das Sicherheitszündholz, dessen Zusammensetzung von den Gebrüdern Lundström weiterentwickelt und verbessert wurde. Sie gründeten die erste Zündholzfabrik in Jönköping und entwickelten sie zu einem weltweit bekannten Unternehmen. Die Streichhölzer „Made in Sweden“ wurden aufgrund ihrer hohen Qualität und ihres erschwinglichen Preises schnell zu einem Exportschlager. Verschiedene Schachtelgrößen und rund 15.000, meist von Künstlern gestaltete und auf die jeweiligen Märkte zugeschnittene Etikettenmotive zeugen von diesem Erfolg.

Doch auch diese Erfolgsgeschichte der Industrialisierung hatte ihren Preis. Viele Arbeiter und Arbeiterinnen erkrankten aufgrund des gesundheitsschädlichen Arbeitsumfeldes an Phosphornekrose. Die aufsteigenden Dämpfe der giftigen Phosphormasse, in die das Streichholzstäbchen eingetaucht wurde, schädigten das Zahnfleisch der Arbeiter, bis ihnen die Zähne ausfielen, und griffen dann weitere Gewebe- und Knochenstrukturen im Gesicht an, bis diese teilweise entfernt werden mussten.
Die Produktion von Zündhölzern in Schweden besteht bis heute fort und läuft nunmehr weitgehend automatisiert. Allein der Hersteller „Swedish Match“ stellt täglich ca. 250 Millionen Streichhölzer her. Dies entspricht 950 Millionen Schachteln pro Jahr und lediglich drei Prozent davon sind für den Binnenmarkt bestimmt. Streichhölzer „Made in Sweden“ – ein echter Exportschlager aus Schweden.

Verschiedene Etikettenmotive für die Streichholzschachteln der Firma Jönköpings Tändstickfabrik, ca. 1890 – 1960. © Tändsticksmuseet Jonköping. Foto: Ute Franz-Scarciglia
Verschiedene Etikettenmotive für die Streichholzschachteln der Firma Jönköpings Tändstickfabrik, ca. 1890 – 1960. © Tändsticksmuseet Jonköping. Foto: Ute Franz-Scarciglia

Besuch aus Småland: Papier-Fallschirme

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Auch wenn Småland als Region nicht jedem bekannt ist, so fanden doch viele Erzeugnisse aus dieser schwedischen Provinz Eingang in unseren Alltag. Während der Laufzeit der Småländischen Kulturtage im Museum Europäischer Kulturen stellt die wissenschaftliche Volontärin Alina Helwig hier die wichtigsten småländischen Exportschlager vor. Diese Woche: Papier-Fallschirme.

Zwischen Waldtrollen, Designerstühlen, Buckelwiesen und Glasfabriken fiel mir in der Begleitausstellung der Småländischen Kulturtage mit dem Titel „Auf der bewaldeten Klippe“ ein Foto besonders auf. Eine der Arbeiten der Berliner Fotografin Christina Glanz zeigt einen Einwegfallschirm aus den 1940-er Jahren, an dem ein grünes „Exit-Zeichen“ und ein rotes Kreuz auf dem am Fallschirm hängenden Paket die Aufmerksamkeit erregen. Aufgenommen wurde dieses Bild im Industrimuseet Gislaved, das Christina Glanz auf einer ihrer Reisen durch Småland besuchte.

Einwegfallschirm aus Gislaved/Schweden, 1940er Jahre © Industrimuseet Gislaved/Schweden. Foto: Christina Glanz
Einwegfallschirm aus Gislaved/Schweden, 1940er Jahre © Industrimuseet Gislaved/Schweden. Foto: Christina Glanz

Die Fallschirme aus Papier wurden während des 2. Weltkrieges von Nissafors Pappersförädling AB (Papierveredlungsanlage Nissafors) hergestellt. 1943 erhielten die Brüder Leif und Peder Thilén von der schwedischen Regierung den Auftrag, in ihrer Papiertaschenfabrik Fallschirme zu entwickeln und herzustellen. Mit ihrer Hilfe sollten Versorgungspakete zu der notleidenden Bevölkerung in unzugänglichen Regionen im Norden Schwedens und Norwegens gelangen. Die Traglast betrug maximal 50 Kilo und der erste Auftrag umfasste gleich 1000 Fallschirme. Nach ersten erfolgreichen Einsätzen wurde der Auftrag bald auf über 15.000 Stück erweitert. Lebenswichtige und zerbrechliche Güter wurden in Heu verpackt, das dann zur Fütterung der Tiere genutzt werden konnte. Nach 1945 wurden die Papier-Fallschirme auch in andere Länder exportiert. Frankreich war damals einer der größten Abnehmer und nutzte die Fallschirme später im Algerienkrieg. Bereits 1948 wurde die Produktion von Fallschirmen in Nissafors eingestellt und das Unternehmen stellte wieder hauptsächlich Tragetaschen her.

Es ließen sich noch viele weitere Geschichten über kleine und große Exportschlager aus Schweden erzählen: von der schwedischen Möbelindustrie, die namhafte Designer wie Bruno Mathsson hervorbrachte, von der langen Tradition des Glaskunsthandwerks oder von den Auswanderer-Romanen des wohl berühmtesten schwedischen Schriftstellers Vilhelm Moberg. Leider müssen diese Geschichten an anderer Stelle erzählt werden, denn am 29. August enden die Småländischen Kulturtage im Museum Europäischer Kulturen. Zum Abschied haben wir aber noch einen ganz besonderen Exportschlager für unsere Besucher: Einen musikalischen Beitrag aus dem Genre „Elch-Pop“.

These are the people I come from from Pia Fridhill on Vimeo.

 

Titelbild: Christina Glanz (Ausschnitt)

Lieblingsstücke: Amor mit Kopfschuss

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Der bogenschnitzende Amor von François Duquesnoy ist zurzeit in der Ausstellung „Das verschwundene Museum“ im Bode-Museum zu sehen. Fabian Fröhlich, Mitarbeiter für Werbung und Kommunikation in der Generaldirektion, schätzt die Skulptur seit vielen Jahren – doch sein Blick auf sie hat sich durch die Ausstellung verändert.

Zum ersten Mal habe ich den Amor von François Duquesnoy im Jahr 2006 gesehen. Ich weiß das Jahr noch, weil ich damals im Bode-Museum ein Foto von ihm gemacht habe, fasziniert von dieser beschädigten Marmorskulptur, die in eigentümlich gebeugter Haltung und mit geschlossenen Augen, wie schlafwandelnd, mitten im Raum stand. Ich habe eigentlich kein besonderes Faible für Kleinkinder in der Kunst; häufig sind sie mir in der angestrebten Wirkung zu berechnend: zu niedlich, zu lieblich, schlimmstenfalls zu süßlich. Doch im Gegensatz zu vielen anderen (in der Regel ja recht lebensfrohen) Putten und Liebesgöttern wirkte dieser Amor auf mich traurig und in sich gekehrt, ja er hatte etwas geradezu morbides, und das nicht nur wegen des fehlenden Arms und der verstümmelten Flügelchen. Der gesenkte Kopf, überhaupt die gesamte Pose irritierten mich – in einem durchaus positiven Sinne.

Auch bei späteren Besuchen in Berlin habe ich die Skulptur gesehen und fotografiert (immer im Anschnitt und immer frontal von vorne, wohl wegen des seitlich einfallenden Lichts). Aber ich beschäftigte mich nie mit ihrer Geschichte oder mit der Frage, wie sie ursprünglich einmal ausgesehen hatte. Dass es sich eigentlich um einen „Bogenschnitzenden Amor“ handelte, las ich vermutlich auf dem Label, aber diese Information setzte sich nicht wirklich fest, sie wurde von dem unmittelbaren Eindruck überdeckt, den der fragmentarische Zustand der Figur auf mich machte.

François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, vor 1629. Aufnahmen im Großen Marmorsaal des Bode-Museums von 2006 und 2010. Fotos: Fabian Fröhlich
François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, vor 1629. Aufnahmen im Großen Marmorsaal des Bode-Museums von 2006 und 2010. Fotos: Fabian Fröhlich

Wiederbegegnet ist mir Duquesnoys Amor dann Anfang 2015 bei der Sichtung der möglichen Motive für die von mir betreuten Werbung zur Ausstellung „Das verschwundene Museum“, in der die Skulptur noch bis Ende September zu sehen ist. Als zentrales Motiv für Plakat, Einladungskarte, Banner etc. wählten wir Andrea Rosselinos Madonna mit Kind. Der Grafiker brachte sie unter einer roten Fläche zunächst zum Verschwinden, um sie dann in markanten Details, wie durch Fenster, wieder sichtbar zu machen. Auf der Außenseite des Ausstellungs-Folders stellten wir ihr Dusquenoys Amor zur Seite, in dem sich ebenso wie in dem wiederhergestellten Relief der Madonna zentrale Fragen der Ausstellung bündeln: Welche Verluste und Beschädigungen hat der Zweite Weltkrieg in den Beständen der Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung hinterlassen, und wie gehen Kuratoren und Restauratoren heute damit um?

Außenseite des Folders zur Ausstellung „Das verschwundene Museum“
Außenseite des Folders zur Ausstellung „Das verschwundene Museum“

Der hier für den Amor gewählte Bildausschnitt sollte das in den Mittelpunkt rücken, was ich selbst in den Jahren zuvor in dieser Drastik gar nicht wahrgenommen (oder inzwischen wieder vergessen) hatte, ein Detail, das mich auf dem Foto von Jörg P. Anders aber nun geradezu ansprang: Die „Wunde“, die sich von der Schläfe und dem zerstörten Ohr wie ein Spinnennetz über den Kopf der Skulptur ausbreitet – eine Kriegsverletzung, ein Kopfschuss im ganz buchstäblichen Sinne. Aus der seitlichen Perspektive wirkt dieses Kind nicht einfach nur traurig oder in sich gekehrt, es scheint tödlich getroffen.

François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, vor 1629. Aufstellung in der Ausstellung „Das verschwundene Museum“. Foto: Fabian Fröhlich
François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, vor 1629. Aufstellung in der Ausstellung „Das verschwundene Museum“. Foto: Fabian Fröhlich
François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, vor 1629. Aufstellung in der Ausstellung „Das verschwundene Museum“. Foto: Fabian Fröhlich
François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, vor 1629. Aufstellung in der Ausstellung „Das verschwundene Museum“. Foto: Fabian Fröhlich

Zunächst auf Fotografien, dann anhand eines alten Gipsabgusses, der für die Ausstellung aus dem Depot geholt worden war, sah ich nun aber auch, wie der Amor ursprünglich einmal ausgesehen hatte. Die beim fragmentarisch erhaltenen Original so eigenartig wirkende Körperhaltung und die gesenkten Augenlider ergaben plötzlich Sinn. Dieser pummelige Knabe ist weniger in sich selbst versunken als in seine Tätigkeit, das Bogenschnitzen. Außergewöhnlich erscheint mir diese Skulptur immer noch, untere anderem weil sie so lebensnah wirkt, im Grunde nicht anders als ein heutiges Kind, dass mit seinen Legosteinen spielt und dabei die Welt um sich vergisst. Aber morbide? Morbide ist an diesem Kunstwerk, so wie Duquesnoy es sich gedacht hat, natürlich überhaupt nichts.

François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, Gipsabguss, vor 1945. Aufstellung in der Ausstellung „Das verschwundene Museum“. Foto: Fabian Fröhlich
François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, Gipsabguss, vor 1945. Aufstellung in der Ausstellung „Das verschwundene Museum“. Foto: Fabian Fröhlich
François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, Gipsabguss, vor 1945. Aufstellung in der Ausstellung „Das verschwundene Museum“. Foto: Fabian Fröhlich
François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, Gipsabguss, vor 1945. Aufstellung in der Ausstellung „Das verschwundene Museum“. Foto: Fabian Fröhlich

Der in Rom arbeitende flämische Bildhauer François Duquesnoys (1597-1634) war schon zu Lebzeiten berühmt für seine anrührenden, genau beobachteten Kinderfiguren. Zeitgenossen nannten ihn auch „fattore de’Putti“, Rubens schrieb über seine Werke, man wisse nicht, „ob Natur oder Kunst sie gemacht haben, oder der Marmor sich zum Leben erweicht habe.“ Bevor Duquesnoy um 1625 den bogenschnitzenden Amor schuf, hatte er vor allem in weicheren Materialien wie Ton, Holz und Elfenbein gearbeitet. Die lebensgroße Skulptur sollte Kritiker und Konkurrenten davon überzeugen, dass er auch den anspruchsvollen Marmor meistern konnte – anfangs mit mäßigem Erfolg, der Amor fand lange keinen Käufer. Über einen Kunsthändler wurde er nach Amsterdam vermittelt, wo der Rat der Stadt ihn als Geschenk für Prinzessin Amalie von Oranien erwarb, die ihn an prominenter Stelle in ihrem Garten in Den Haag aufstellte. Von dort gelangte er nach Brandenburg, seit 1659 ist er im Inventar der kurfürstlich-brandenburgischen Kunstkammer verzeichnet – er gehört also gewissermaßen zum Urbestand, zur Keimzelle der Staatlichen Museen zu Berlin.

Im Laufe der Jahrhunderte erlitt die Figur mehrfach Beschädigungen, vor allem Bogen und Schnitzmesser zerbrachen und wurden wieder zusammengeflickt. Die eigentliche Katastrophe ereilte den Amor jedoch, nachdem er im Zuge des Zweiten Weltkrieges in den Flakbunker Friedrichshain ausgelagert worden war. Nach den dortigen großen Bränden im Mai 1945, die viele Hauptwerke der Berliner Sammlungen zerstörten, galt er als verschollen. 1958 kehrte er jedoch zusammen mit 450 weiteren Werken der Skulpturensammlung aus der Sowjetunion zurück, wohin er nach Kriegsende verbracht worden war. Wie viele andere der Skulpturen war er schwer beschädigt, Schnitzmesser und Bogen sowie der rechte Arm und Teile der Flügel waren nun verloren. Ein Foto aus der Nachkriegszeit dokumentiert den traurigen Zustand, in dem die Figur sich befunden hatte, bevor sie – bereits in Leningrad – wieder zusammengesetzt wurde. Wie auch die markante „Wunde“ am Kopf zeigt, hatte sie nicht nur unter dem Feuer, sondern mehr noch unter absichtsvollem Vandalismus gelitten. Offensichtlich war der Liebesgott in den letzten Kriegstagen selbst zur Zielscheibe geworden.

François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, vor 1629. Zustand nach 1945 und vor der Rückkehr der Skulptur aus der Sowjetunion 1958. Foto: Archiv Skulpturensammlung
François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, vor 1629. Zustand nach 1945 und vor der Rückkehr der Skulptur aus der Sowjetunion 1958. Foto: Archiv Skulpturensammlung

Ende der 1990er-Jahre wurde die Skulptur grundlegend restauriert, die fehlenden Teile und Beschädigungen wurden dabei bewusst nicht ergänzt, obwohl dies mit Hilfe der alten Abgussform möglich gewesen wäre. In der Ausstellung „Das verschwundene Museum“ und im auch online abrufbaren audiovisuellen Guide kann man die Diskussion unter Restauratoren und Kuratoren nachvollziehen, die sich bis heute um den „Bogenschnitzenden Amor“, um seine Schicksal und seine Restaurierung entspinnt.

Auch ohne je selbst darüber entscheiden zu müssen, kann sich jeder Ausstellungsbesucher eine eigene Meinung bilden, ob er die Skulptur lieber in ihrem jetzigen Zustand bewahren oder eher, so wie Rosselinos Madonnonenrelief, vervollständigt wissen möchte. Für beides gibt es gute Argumente. Ich selbst würde den Amor so, wie ich ihn kennengelernt habe, wohl gerne erhalten. Ich sehe die Spuren der Geschichte und will sie nicht ausradiert wissen. Weniger, weil ich in der Skulptur vorrangig ein Mahnmal für die Schrecken des Zweiten Weltkriegs sehe – das wäre für mich eine moralisch motivierte Instrumentalisierung auf Kosten des Kunstwerks. Sondern eher, weil auch die Fehlstellen für mich zu einem integralen Teil des Werks geworden sind, den man nicht mehr negieren sollte (was ohnehin nur in begrenztem Maße möglich wäre).

Natürlich bin ich froh, dass die Figur nicht mehr in Einzelteilen im Depot liegt. Doch gerade in ihrem heutigen Zustand (und mit dem Wissen um ihre ursprünglichen) erscheint mir diese Skulptur so anrührend, so vielschichtig, auf so vielen Ebenen lesbar wie kaum ein anderes Werk im Bode-Museum. Mir ist bewusst, dass vieles, das ich darin sehe, sehr wenig mit der Intention des Künstlers zu tun hat und ich habe selbst erlebt, wie die späteren Spuren und eine einmal eingenommene Perspektive den Blick auf das darunter liegende verstellen können. Aber auch als Kunsthistoriker bezweifle ich, dass es „das Eigentliche“, den wahren, ursprünglichen Kern eines Kunstwerks überhaupt gibt. Große Kunstwerke bedeuten eben nicht nur das, „was der Künstler uns damit sagen wollte“. Ihre Bedeutung speist sich mindestens im gleichen Maße aus ihrer Geschichte, ihrer Rezeption und ihrer Wirkung auf jeden einzelnen Betrachter.

Am liebsten wäre es mir wohl, wenn auch in Zukunft jeder Besucher des Bode-Museums das fragmentarische Original und den vollständigen Abguss nebeneinander sehen könnte. Ich weiß nicht, ob und wie das auf Dauer möglich sein kann, ohne dass man ein didaktisches Lehrstück daraus macht. Der Ausstellung „Das verschwundene Museum“ ist diese Gratwanderung jedenfalls in wunderbarer Weise gelungen.

François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, vor 1629, Original und Abguss. Foto: Fabian Fröhlich
François Duquesnoy, Bogenschnitzender Amor, vor 1629, Original und Abguss. Foto: Fabian Fröhlich

Lieblingsstücke: Antike Dame mit Stil

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Christina Hanus, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ägyptischen Museum und Papyrussammlung, hat täglich mit zahlreichen wunderschönen Objekten aus der Vergangenheit zu tun. Das 2000 Jahre alte Mumienporträt einer stilsicheren Dame mit einem kleinen Mond-Anhänger hat es ihr aber besonders angetan.

Nachdem ich jetzt schon einige Jahre für das Ägyptische Museum und Papyrussammlung der SMB tätig bin, weiß ich eines ganz genau: So etwas wie das eine Lieblingsstück kann es überhaupt nicht geben!
Natürlich wachsen einem einige Stücke aus dem reichen Schatz der Objekte des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung ganz besonders ans Herz. Doch oft treten gerade die Objekte, die lange am Rande des eigenen Sichtfeldes existierten, mit einem Mal ins Scheinwerferlicht und werden einem ganz besonders lieb. So geschehen bei dem Mumienporträt einer jungen Frau mit goldenem kleinem Mond-Anhänger. Das Objekt wechselte im Zuge der Gemeinschaftsausstellung „EIN GOTT – Abrahams Erben am Nil“ seinen Standort vom Ägyptischen Museum ins Bode-Museum.

Mumienporträt einer Frau aus der römischen Kaiserzeit, um 70 n. Chr. © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung /Foto: Stefan Büchner
Mumienporträt einer Frau aus der römischen Kaiserzeit, um 70 n. Chr. © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung /Foto: Stefan Büchner

Das hölzerne Mumienporträt einer Dame stammt aus Hawara in Ägypten und datiert in das Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr.. Faszinierend und lebendig machen dieses Objekt nicht allein die wunderbare Ausführung mit Wachsfarbe, das dunkle lockige Haar der Frau, frisiert im Stil der Zeit um 70 n. Chr., ihre weichen Gesichtszüge oder die unterschiedlichen Schichten ihrer Gewänder. Es sind vor allem die aufwändig gearbeiteten Accessoires, die das Mumienporträt derartig bezaubernd hervortreten lassen. Die Dargestellte trägt in Stuck plastisch modellierte und vergoldete Ohrringe mit einer kleinen Kugel und einer daran herabhängenden größeren Scheibe, dazu ein schmales textiles Halsband, an dem eine Lunula oder „kleiner Mond“ befestigt ist. Die so genannten Lunulae sind von altägyptischen Vorbildern abgeleitete Symbole, die Mutter und Kind schützen und Unheil abwehren sollten. Vergoldet ist auch der netzartige Saum des unteren Gewandes. Frisur, Kleidung und Schmuck sind in höchster Qualität wiedergegeben und zeugen vom Wohlstand und dem Modebewusstsein der jungen Dame.

Mondsichel-Anhänger (Lunula) mit Uräusschlange und Weintrauben, Römische Kaiserzeit, Mitte 2. Jh. – 3. Jh. n. Chr., Ägypten, genaue Provenienz unbekannt © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung /Foto: Sandra Steiß
Mondsichel-Anhänger (Lunula) mit Uräusschlange und Weintrauben Römische Kaiserzeit, Mitte 2. Jh. – 3. Jh. n. Chr. © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Foto: Sandra Steiß

Porträts wie dieses wurden in römischer Zeit vermögenden Verstorbenen mit ins Grab gegeben. Entsprechend den vorherrschenden Bestattungsriten wurden sie in die Wickelung des Leichnams mit einbezogen und verliehen dem Toten dauerhaft persönliche Züge. Zeitlich gingen diesem Brauch jedoch jahrhundertelange Entwicklungen der Begräbnisrituale in Ägypten voraus. Der Wunsch, den Körper des Verstorbenen für ein Leben nach dem Tode zu erhalten, geht auf die Zeit der Pharaonen zurück und wurde später von Griechen und Römern, die in Ägypten beigesetzt wurden, fortgeführt. Allerdings verzichtete man zunehmend auf eine Mumifizierung mit der Entfernung des Gehirns und der inneren Organe. Stattdessen wurden die Körper mit einem Leichentuch umhüllt und kunstvoll bandagiert. In ptolemäischer Zeit setzten sich Masken aus Stuck oder Kartonage durch, die den Kopf und den Oberkörper des Verstorbenen bedeckten. Mitunter zeigen diese Masken individuelle Züge und spiegeln zudem den zu der jeweiligen Zeit vorherrschenden Geschmack hinsichtlich Mode und Haartracht wider. Die Tradition, auf Holz gemalte Mumienporträts zu verwenden, lässt sich sogar bis in das 4. Jahrhundert n. Chr. nachweisen, bis sie von christlichen Bestattungsriten abgelöst wurde.

Detail des Mumienporträts © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung
Detail des Mumienporträts
© Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung

Für alle, die die junge Dame mit der Lunula noch einmal persönlich besuchen wollen, sind die Pforten unserer Sonderausstellung „EIN GOTT – Abrahams Erben am Nil“ noch bis zum 13. September geöffnet.

Vorherige Vitrinensituation im Neuen Museum während der Ausstellung „Alltag – Luxus – Schutz – Schmuck im Alten Ägypten“ © Foto: A. Winkler
Vorherige Vitrinensituation im Neuen Museum während der Ausstellung „Alltag – Luxus – Schutz – Schmuck im Alten Ägypten“
© Foto: A. Winkler
Vitrinensituation im Bode-Museum während des Aufbaus und während der Ausstellung "EIN GOT - Abrahams Erben am Nil". © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung
Vitrinensituation im Bode-Museum während des Aufbaus und während der Ausstellung “EIN GOT – Abrahams Erben am Nil”.
© Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung

Backstories: Das Norris-Fragment

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Unsere Reihe “Backstories” widmet sich diesmal dem Fragment eines Tafelaufsatzes aus Porzellan, das der britische Kunstschutzoffizier Christopher Norris in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges aus Trümmern barg. Das Objekt gehörte einst Zarin Katharina II. und fand auf Umwegen zurück nach Berlin.

Video: Bboxx Filme

Lieblingsstücke: Ein Aquarell mit Tiefgang

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Ein besonderes Aquarell von František Kupka ist der Liebling von Kyllikki Zacharias, Leiterin der Sammlung Scharf-Gerstenberg. Warum das Bild sie mehr fasziniert als die Werke weltberühmter Künstler wie Evard Munch, Max Ernst oder Picasso, erklärt sie hier.

Unter den Werken der Sammlung Scharf- Gerstenberg befindet sich ein kleines Aquarell, das ich schon bei meinem ersten Rundgang durch die Sammlung zu meinen Lieblingen erkor. Es stammt von dem tschechischen Maler und Grafiker František Kupka (1871–1957), ist das einzige Werk dieses Künstlers in der Sammlung und keinesfalls repräsentativ für sein Gesamtwerk, das sich – noch vor Kandinsky – mit der Abstraktion der Form und dem Zusammenspiel von Musik und Farbe beschäftigt. Gleichwohl könnte man Kupkas titelloses Aquarell als den geheimen Botschafter der Sammlung bezeichnen, die Werke von über fünfzig Künstlern verschiedener Richtungen umfasst.

František Kupka: ohne Titel, um 1907. © bpk/Nationalgalerie SMB, Sammlung Scharf-Gerstenberg. Foto: Volker-H. Schneider
František Kupka: ohne Titel, um 1907. © bpk/Nationalgalerie SMB, Sammlung Scharf-Gerstenberg. Foto: Volker-H. Schneider

Denn das Blatt beinhaltet eine Fülle von Elementen, auf die wir auch in den anderen Räumen der Charlottenburger Dependance der Nationalgalerie stoßen – angefangen bei den ägyptischen Reliefs, die uns am Eingang zum Marstall begrüßen (das Kalabscha-Tor ist eine Hinterlassenschaft des Ägyptischen Museums und genießt bis zur Fertigstellung des geplanten Erweiterungsbaus auf der Museumsinsel Gastrecht), über die uterinären Formen, die in den Kohlezeichnungen und Pastellen des Symbolisten Odilon Redon auftauchen und das fließende Werden und Vergehen von Leben und Traum symbolisieren, bis hin zum Skelett, dem wir in immer wieder neuer Umgebung begegnen: In Edvard Munchs Radierung »Vampir« (1894) sitzt es entspannt im Hintergrund und schreibt einen Brief oder führt Tagebuch, auf einer 1929 entstandenen Collage von Max Ernst räkelt es sich vor dem Hintergrund geheimnisvoll aufsteigender Dämpfe in einer nicht weiter zu definierenden mechanischen Box, während es in Georges Hugnets Blatt »Das Geheimnis ist frei von Schamhaftigkeit« von 1935 an einem aus Meereswogen aufsteigenden Gitter mit einem Herrn in gesittetem Anzug (dem Künstler selbst?) konferiert. Auch eine Verbindung zum gegenüberliegenden Museum Berggruen ist in Kupkas Aquarell zu finden: Das Absinthglas, aus dem sich Kupkas Embryo nährt, hat dort als Skulptur von Pablo Picasso eine (kubistische) Form angenommen.

“Mit Schmalztolle und Monokel”
Zum Zeitpunkt der Entstehung des Blattes, 1907, lebte František Kupka bereits in Paris, wo er sich seinen Lebensunterhalt zunächst als Karikaturist und Illustrator verdiente. Bekannt sind seine Zyklen zu den Themen »Geld«, »Religion« und »Frieden«, die zwischen 1902 und 1904 in der satirischen Zeitschrift »L’Assiette au Beurre« erschienen. Das vorliegende Blatt scheint in Zusammenhang mit zumindest einem anderen Aquarell entstanden zu sein, das sich auf den 1909 erschienenen Gedichtband »La Négresse blonde« des surrealistischen Dichters Georges Fourest bezieht. Während dieses tatsächlich eine blonde Negerin darstellt, sind auf dem Blatt der Charlottenburger Sammlung allerdings keine konkreten Bezüge zum Inhalt des Buches zu finden. Allenfalls ließen sich die assoziativen Ketten der (Sprach-)Bilder miteinander vergleichen. Ähnlich wie sich die Bilder zu Füßen des Skelett-Matrosen stapeln, generiert Fourest seine Reime durch das Repetieren von silbenähnlichen Wörtern.

Die zentrale Aussage des Aquarells verdankt sich jedoch nicht allein dem (typisch surrealistischen) Prinzip der assoziativen Multiplikation. Betrachten wir die Arbeit genauer, so entdecken wir, dass sie auch eine ironische Reflexion der künstlerischen Produktion enthält. Die Spannbreite der Kunst wird durch ihre verschiedenen Medien angedeutet: Unten rechts ist ein ägyptisches Relief zu sehen, das die Götter Thot und (vermutlich) Horus darstellt, während auf der linken Seite in exakt derselben Höhe eine gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografie lehnt, die gewissermaßen den Endpunkt der Kunstentwicklung vom religiösen Inbild des Göttlichen zum profanen Abbild der weltlichen Freuden zeigt: Den Arm lässig auf eine ansonsten funktionslose Marmorsäule gelegt, präsentiert sich kokett eine rauchende nackte Dame mit einem Federbusch im aufgesteckten Haar.

Das männliche Skelett, dessen linkes Bein wie ein Schatten aus dem altägyptischen Relief hervorzuwachsen scheint, steht hierzu in ironischer Paraphrase. In grotesker Kombination von Attributen eines Lebemannes produziert es sich vor dem Betrachter: mit Schmalztolle und Monokel, im Matrosenhemd und rauchend mit einem riesigen Phallus. Doch ist, wie der Pantoffel an seinem Fuß schon signalisiert, seine demonstrative Potenz nur eine Farce: Die sich entwickelnde Leibesfrucht, die das Skelettmit einem Lederhandschuh am Wickel hält, nährt sich über die Nabelschnur aus dem Absinthglas zu seiner Rechten, und der riesige Phallus ist in Wirklichkeit eine große Prothese, die es sich vor den Bauch geschnallt hat – welch ein mächtiges Gleichnis über die Paradoxie von schöpferischer Macht und Impotenz, die sich in der künstlerischen Produktion begegnen.

Das ägyptische Kalabscha-Tor in der Sammlung Scharf-Gerstenberg © bpk/Nationalgalerie SMB, Sammlung Scharf-Gerstenberg. Foto: Hans-Christian Krass
Das ägyptische Kalabscha-Tor in der Sammlung Scharf-Gerstenberg
© bpk/Nationalgalerie SMB, Sammlung Scharf-Gerstenberg. Foto: Hans-Christian Krass
Odilon Redon: Fleur illuminée, um 1900  © bpk/Nationalgalerie SMB, Sammlung Scharf-Gerstenberg. Foto: Volker-H. Schneider
Odilon Redon: Fleur illuminée, um 1900
© bpk/Nationalgalerie SMB, Sammlung Scharf-Gerstenberg. Foto: Volker-H. Schneider
Edvard  Munch: Vampyr, 1894 © bpk/Nationalgalerie SMB, Sammlung Scharf-Gerstenberg. Foto: Volker-H. Schneider
Edvard Munch: Vampyr, 1894 © bpk/Nationalgalerie SMB, Sammlung Scharf-Gerstenberg. Foto: Volker-H. Schneider
Max Ernst: Illustrationsvorlage zu Hans Arps "Weißt du schwarzt du", 1929 © bpk/Nationalgalerie SMB, Sammlung Scharf-Gerstenberg. Foto: Volker-H. Schneider
Max Ernst: Illustrationsvorlage zu Hans Arps “Weißt du schwarzt du”, 1929 © bpk/Nationalgalerie SMB, Sammlung Scharf-Gerstenberg. Foto: Volker-H. Schneider
Georges Hugnet : Le mystère est exempt de pudeur, 1935 © bpk/Nationalgalerie SMB, Sammlung Scharf-Gerstenberg. Foto: Volker-H. Schneider
Georges Hugnet : Le mystère est exempt de pudeur, 1935 © bpk/Nationalgalerie SMB, Sammlung Scharf-Gerstenberg. Foto: Volker-H. Schneider

Advent, Advent: Grüße vom Weihnachtsberg

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Mit schönen Aufnahmen von unserem mechanischen Weihnachtsberg aus dem Erzgebirge, der im Museum Europäischer Kulturen gezeigt wird, wünschen wir euch allen frohe Weihnachten!

Am 26. Dezember um 15:30 Uhr findet übrigens eine öffentliche Führung zum Weihnachtsberg im Museum Europäischer Kulturen statt.


Holbeins Madonna: Ein Wunder im Bode-Museum

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Ab dem 21. Januar 2016 werden Meisterwerke der Malerfamilie Holbein im Bode-Museum gezeigt. Im Mittelpunkt steht die “Madonna des Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen” von Hans Holbein d.J. Der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Michael Eissenhauer, im Gespräch über das Werk und seine Besonderheit.

Was fasziniert Sie an Holbeins Werken?
Michael Eissenhauer: Holbein begeisterte mich schon immer: zum ersten Mal als Schüler bei einem Besuch in London und zuletzt bei meinen Gängen durch unsere Gemäldegalerie. Schon in einer Ausstellung zu Holbeins „Gesandten“ in London fesselten mich die unzähligen Details, die mich ebenso im „Porträt des Kaufmann Georg Gisze“ unserer Sammlung faszinieren. In diesen Details kann man sich inzwischen auch wunderbar digital verlieren, ein Besuch des Originals bleibt allerdings weiterhin unvergleichlich.

Ab dem 21. Januar 2016 werden Meisterwerke Holbeins im Bode-Museum gezeigt. Den Mittelpunkt der Sonderausstellung bildet die sogenannte “Holbein-Madonna”, die Teil der Sammlung Würth ist. Was ist das Besondere an der Holbein-Madonna?
Die Holbein-Madonna ist ein einzigartiges Meisterwerk der deutschen Renaissance. Das Gemälde zeigt die Familie des Basler Bürgermeisters und wird deshalb nach ihm offiziell „Die Madonna des Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen“ genannt. Neben der komplexen Komposition und der beeindruckenden Malweise, gibt es rund um die Entstehung des Werks immer noch einige Rätsel, die das Interesse der Betrachter/innen und der Forschung gleichermaßen wecken: Um wen genau handelt es sich bei den Dargestellten? Für welchen Raum wurde das Werk geschaffen?
Eine besondere Anekdote zur Geschichte des Gemäldes hat mir einmal Moritz Landgraf von Hessen erzählt, sie ist im Frankfurter Ausstellungskatalog von 2004 nachzulesen: Nachdem die Madonna im Zweiten Weltkrieg an unterschiedlichen Orten untergebracht war, sollte sie im Dezember 1945 von der Veste Coburg wieder nach Darmstadt, zum Wohnsitz der Besitzer transportiert werden. Auf dem Weg dorthin geriet der amerikanische Militärlastwagen allerdings in Brand und das Gemälde wurde nur mit knapper Not gerettet. Dass wir das Werk heute betrachten können, kommt einem kleinen Wunder gleich.

Warum sollte man die Holbein-Ausstellung unbedingt besuchen?
Nur in Berlin kann das Meisterwerk im Kontext einer der größten Holbein-Sammlungen überhaupt gezeigt werden. So lassen sich Verknüpfungen aufzeigen, zu denen individuelle Geschichten erzählt werden können. Neben der Madonna aus der Sammlung Würth zählt nur der Kaufmann Gisze zu den absoluten Meisterwerken Holbeins, die in deutschen Museen vorhanden sind. Zusätzlich befinden sich hier auch zahlreiche Werke des Vaters Hans Holbein d. Älteren, und das Kupferstichkabinett besitzt die größte Sammlung an Handzeichnungen von Holbein in Deutschland. Wir können für unsere Ausstellung aus einem so reichen eigenen Bestand schöpfen, dass den Besucherinnen und Besuchern ein einmaliger, intensiver Einblick in das Werk des Künstlers ermöglicht wird. Nur hier kann die Madonna in einem einzigen Raum in direkter Gegenüberstellung mit anderen Porträts, mit rahmenden Architekturentwürfen, sogar mit einem sogenannten Holbein-Teppich und mit Madonnenfiguren aus den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin betrachtet werden.

Hans Holbein d. J.: Die Madonna des Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen, 1526/28 © Archiv Würth
Hans Holbein d. J.: Die Madonna des Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen, 1526/28 © Archiv Würth
Hans Holbein d. J.: Der Kaufmann Georg Gisze, 1532 © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Jörg P. Anders
Hans Holbein d. J.:
Der Kaufmann Georg Gisze, 1532 © Staatliche Museen zu Berlin,
Gemäldegalerie / Jörg P. Anders
Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, in der Gemäldegalerie. Foto: Achim Kleuker
Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, in der Gemäldegalerie. Foto: Achim Kleuker

Wie neu: Caspar David Friedrich kehrt zurück in die Alte Nationalgalerie

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Zweieinhalb Jahre wurden zwei Meisterwerke von Caspar David Friedrich restauriert: „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“. Nun kehrt das berühmte Bilderpaar zurück in die Alte Nationalgalerie. Die Restauratorinnen Kristina Mösl und Francesca Schneider haben bei der Arbeit an den Bildern erstaunliche Details aufgedeckt.

Jahrzehntelange Vernachlässigung, historische Restaurierungen und auch die fragile Maltechnik haben Caspar David Friedrichs Gemälden „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“ zu Schaffen gemacht. Diese Faktoren begünstigten Veränderungen und Substanzverluste und führten, zusammen mit stark vergilbten Überzügen, zu einer erheblichen Verfälschung des ursprünglichen Erscheinungsbildes dieses wohl berühmtesten Bilderpaars der deutschen Romantik.

Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Vorzustand vor Restaurierung Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Vorzustand vor Restaurierung Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider

Von Mai 2013 bis Januar 2016 konnten wir in der Restaurierungsabteilung der Alten Nationalgalerie dank der großzügigen Unterstützung durch die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung die beiden Gemälde kunsttechnologisch untersuchen und grundlegend restaurieren. Dabei wirkten zahlreiche weitere Institutionen und Labore mit, so etwa das Rathgen-Forschungslabor, das Labor für Archäometrie der Hochschule für Bildende Künste Dresden sowie das Deutsche Archäologische Institut. Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse entwickelten wir ein Restaurierungskonzept. Dieses stellten wir anschließend in einem Fachkolloquium vor und diskutierten es dort mit FachkollegInnen. Die folgende Restaurierung wurde von Philipp Demandt, dem Leiter der Alten Nationalgalerie, und Birgit Verwiebe, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Haus, kunsthistorisch begleitet. Die Restauratoren Ingo Timm und Peter Most bildeten den restauratorischen Fachbeirat. Im Zusammenspiel aller Institutionen und Experten wurde die Restaurierung zu einem sehr spannenden und erkenntnisreichen Prozess.

Caspar David Friedrich, Abtei im Eichwald, Vorzustand vor Restaurierung Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Caspar David Friedrich, Abtei im Eichwald, Vorzustand vor Restaurierung Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider

Technologischer Befund: Schicht für Schicht entschlüsseln
Ein Leinwandgemälde des frühen 19. Jahrhunderts besteht in der Regel aus vielen verschiedenen Schichten. Die erste Schicht besteht aus einem Keilrahmen zur Aufspannung der Leinwand. Darauf befindet sich eine sättigende Leimschicht, eine so genannte Vorleimung. Auf ihr liegt eine ein- bis dreischichtige Grundierung, meist bestehend aus Kreide und ölhaltigen Bindemitteln. Dann erst folgen die „malerischen“ Schichten: die Unterzeichnung der Komposition, die Untermalung zur Vorbereitung der meist mehrlagigen Farbschichten und schließlich der Firnis, ein schützender und farbsättigender Überzug. Die moderne wissenschaftliche Restaurierung orientiert sich an diesem Schichtenaufbau und gliedert sich dabei in drei Phasen: die Untersuchung der Materialien (Technologischer Befund) und ihrer Erhaltungszustände, eine Konzepterstellung auf Basis der Ergebnisse und die Durchführung der konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen.

Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Querschliff P2 aus Himmelsbereich; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Querschliff P2 aus Himmelsbereich; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider

Caspar David Friedrich verwendete als Bildträger ein feines Gewebe aus Flachsfaser in Leinenbindung, wobei die originalen Keilrahmen nicht erhalten sind. Die Leinwände für beide Bilder stammen aus ein und demselben Stoffballen und grenzten aneinander an. Die Leinwände sind dreifach grundiert. Die unterste Grundierung ist leuchtend rot pigmentiert, darauf folgen zwei hellbraune Schichten. Während die ersten zwei Grundierungen mit einem Spachtel aufgebracht wurden, scheint die dritte mit einer Rolle aufgetragen worden zu sein: Sie weist eine fein strukturierte Oberfläche auf, die Caspar David Friedrich auf besondere Weise maltechnisch zu nutzen wusste.

Auf diesen Malgrund zeichnete der Künstler seine Kompositionen mit einem Stift. Die Unterzeichnungen, die mit Infrarotstrahlung sichtbar gemacht wurden, sind reich an Details und spielten eine große Rolle bei Friedrichs Bildfindung.

Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Infrarotaufnahme; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Infrarotaufnahme; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider

Die malerische Ausführung beginnt bei beiden Werken mit einer sehr dünnen Untermalung. Darüber liegt bei der „Abtei“ nur eine Farbschicht. Der „Mönch“ dagegen weist zwei Farbschichten auf und war zunächst als dunkelblaues Gemälde angelegt. Über die mittlere Himmelspartie legte Friedrich später eine zweite Farbschicht in Hellblau, Rosa und Weiß. Der Maler verwendete Bleiweiß, wenig Ocker-, Grün-, Braun- und Schwarzpigmente sowie das Blaupigment Smalte, letzteres wohl auch wegen seines halbtransparenten Charakters. Kombiniert mit einer spezifischen Maltechnik, bei der sich hauchdünne Farbschicht in den Tiefen der strukturierten Grundierung sammelte und feinste Farbpunkte ergab, vermied der Künstler einen sichtbaren Pinselduktus und schuf fast stufenlose Farbübergänge.

Bald nach Vollendung der Bilder wurde ein Eiweißfirnis aufgetragen, der heute nur noch in minimalen Resten nachzuweisen ist. Ob dieser Firnis noch in Dresden vom Maler selbst oder in Berlin von fremder Hand aufgebracht wurde, ist offen. Temporäre Eiweißfirnisse wurden in der Literatur des 19. Jahrhunderts für frische Ölgemälde empfohlen, da sie den notwendigen Sättigungseffekt erzielten und gleichzeitig die Öltrocknung weiterhin zuließen. Diese Eiweißfirnisse wurden später abgewaschen und durch den finalen Firnis, meist ein Naturharz, ersetzt.

Erhaltungszustand: Bügelschäden und Pigmentverlust
Die heutigen Keilrahmen können etwa auf 1827 datiert werden. Der „Mönch“ wurde im Gegensatz zur „Abtei“ mindestens dreimal neu aufgespannt. Hierbei wurde der Rahmen immer stärker ausgekeilt und dadurch in seiner Funktion als Bildspanner zunehmend beeinträchtigt.

Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Zwischenzustand während Firnisabnahme; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Zwischenzustand während Firnisabnahme; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider

Folgenschwere Veränderungen erfuhren besonders die Leinwände. In Vorbereitung der großen „Jahrhundertausstellung deutscher Kunst von 1775–1875“, in der die Nationalgalerie 1906 Friedrichs Werke erstmals wieder einem breiteren Publikum bekannt machte, wurden beide Gemälde mit einer zweiten Leinwand verstärkt. Diese „Doublierung“ mit einem zusätzlichen Gewebe, das vollflächig auf die Rückseite der Originalleinwand geklebt wurde, sollte das Bild stabilisieren und Risse und Löcher schließen. Sie war jedoch eine große Belastung für die Werke: So wurden die Leinwandränder beschnitten und neue, grobe Leinwand mit einer Wachs-Harz-Mischung aufgebügelt. Unvollständig geschmolzene Wachsklumpen machten dabei die Leinwand beulig, während Druck und Hitze großflächige Schäden an Grundierung und an der Farbschicht verursachten. Beim „Mönch am Meer“ sind auf der Vorderseite mehrere Abdrücke von Bügeleisen zu erkennen. Die so entstandenen Fehlstellen wurden neben weiteren Beschädigungen großflächig überkittet und anschließend übermalt.

Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Zwischenzustand nach Abnahme der Altkittungen und –retuschen; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Zwischenzustand nach Abnahme der Altkittungen und –retuschen; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider

Einhundert Jahre später waren die Restaurierungsmaterialien stark verfärbt und spröde. Insbesondere die gestrichelten Retuschen einer weiteren Restaurierung aus den 1920er-Jahren hatten sich weißlich verfärbt und erweckten den falschen Eindruck vom Nebelschwaden über dem Meer. Das Blaupigment Smalte hat sich bei der „Abtei im Eichwald“ teilweise entfärbt, eine langsame chemische Reaktion, die unumkehrbar ist. Das genaue Ausmaß der Farbveränderung ist mit heutigen Untersuchungsmethoden kaum feststellbar, wir gehen aber von einer deutlicheren Blaufärbung des Bildes zu seiner Entstehungszeit aus.
Die größten Beeinträchtigungen für die Gesamterscheinung beider Gemälde stellten die bis zu sieben Firnisschichten dar, die im Lauf der Jahrzehnte aufgebracht worden waren. Die starke Vergilbung dieser Überzüge hatte extreme Farbwertverschiebungen zur Folge, insbesondere in den blauen Bereichen. Einige Partien der Firnisse waren darüber hinaus von feinsten Mikrosprüngen durchsetzt, deren Sprungkanten stark reflektierten und sich wie ein milchiger Schleier über die Farbschichten legten.

Konservierung und Restaurierung: Wiederherstellung der Lesbarkeit
Die Ergebnisse der Untersuchungen waren Grundlage für ein detailliertes Konservierungs- und Restaurierungskonzept zur Sicherung und Freilegung der erhaltenen Originalsubstanz. Um eine möglichst große Annäherung an den Originalzustand zu erreichen, haben wir uns entschlossen, vorherige historischer Restaurierungen weitgehend zurückzunehmen. Alle von uns verwendeten Restaurierungsmaterialien sind reversibel und alterungsbeständig.

Caspar David Friedrich, Abtei im Eichwald, Zwischenzustand während Firnisabnahme; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Caspar David Friedrich, Abtei im Eichwald, Zwischenzustand während Firnisabnahme; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider

Die zuvor erwähnten Doublierungen wurden belassen, da ihre Entfernung eine große mechanische Belastung für die Gemälde dargestellt hätte, die wir unbedingt vermeiden wollten. Die Malschicht wurde gefestigt und die Oberfläche gereinigt und damit konservatorisch für die anschließende Firnisabnahme vorbereitet. Schlecht integrierte, verfärbte Kittungen, Retuschen und Übermalungen aus früheren Restaurierungen wurden abgenommen. Außerdem wurde der „Mönch“ vom Keilrahmen abgespannt, der Rahmen vergrößert und somit wieder funktionsfähig gemacht. Nach der Regulierung der Bildspannung beider Gemälde wurden die Fehlstellen neu gekittet. Ein aufgesprühter Zwischenfirnis isolierte die Kittungen und sättigte die Farbschicht. Hierauf folgte die farbliche Integration der gekitteten Fehlstellen durch Retuschen.

Caspar David Friedrich, Abtei im Eichwald, Zwischenzustand nach Abnahme der Altkittungen und –retuschen; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Caspar David Friedrich, Abtei im Eichwald, Zwischenzustand nach Abnahme der Altkittungen und –retuschen; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider

Die neuen Retuschen beschränkten sich dabei auf die Wiederherstellung der Lesbarkeit der Kunstwerke. So wurden die zahlreichen Mikro-Fehlstellen, die durch Verputzung der Malschicht entstanden waren, nur in den wenigen Bereichen optisch zurückgedrängt, in denen sie den Eindruck der Gemälde nachweislich verfälschten – beim „Mönch am Meer“ insbesondere in Bereichen der Wolkenkanten, die zuvor wie dunkle Regenwolken erschienen.

Ein weiterer dünner Spritzfirnis bildete den Abschluss der Restaurierung.

Ergebnis: Neue Perspektiven auf den Altmeister
Die Restaurierung vom „Mönch am Meer“ und der „Abtei im Eichwald“ förderte wichtige Erkenntnisse zu Tage. So zeigen die Umstände des Leinwanderwerbes, dass der Künstler beide Werke wohl von Anfang an als Pendants geplant hatte. Mit gewerblich vorgrundierten Leinwänden bediente sich Friedrich zeitgemäßer Materialien. Andererseits verwendete er das im 19. Jahrhundert kaum noch gebräuchliche Blaupigment Smalte, dessen Farbton und Halbtransparenz er sehr gezielt einsetzte.

Erstmals werden in der Sonderpräsentation „Der Mönch ist zurück“ die Unterzeichnungen beider Gemälde in Infrarotreflektogrammen veröffentlicht, die den Schaffensprozess nachvollziehbar machen. Beim „Mönch“ wird die Entleerung der Seelandschaft deutlich: Der Künstler übermalte drei geplante Segelschiffe und trieb damit die „unendliche Einsamkeit“ in jener „unbegrenzten Wasserwüste“ auf die Spitze, die nicht nur Zeitgenossen wie Clemens Brentano und Heinrich von Kleist in der Malerei noch nie gesehen hatten. In der Unterzeichnung der „Abtei“ wird der perspektivische Aufbau der Kirchenarchitektur deutlich. Zudem sind viele Details der Mönchsprozession zu erkennen, so etwa die Kreuze oder Gebetbücher in den Händen der Mönche.

Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Infrarotaufnahme; Detail Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Infrarotaufnahme; Detail Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Caspar David Friedrich, Abtei im Eichwald, Infrarotaufnahme; Detail Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Infrarotaufnahme: Christoph Schmidt
Caspar David Friedrich, Abtei im Eichwald, Infrarotaufnahme; Detail Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Infrarotaufnahme: Christoph Schmidt

Die Restaurierung beruhigte den kompositorischen Bildaufbau erheblich, dessen klare Gliederung in Horizontalen, Ellipsen und Hyperbeln durch alte Retuschen gestört worden war. Insgesamt waren beide Gemälde deutlich besser erhalten als wir ursprünglich vermutet hatten: Beim „Mönch“ sind rund 97 %, bei der „Abtei“ 98 % der originalen Malerei erhalten; 11 % bzw. 8 % davon konnten durch die Abnahme von Übermalungen und Retuschen wieder freigelegt werden. Die Entfernung der stark vergilbten Firnisse erbrachte eine weitgehende Klärung und Rückführung der Farbwertverschiebungen. Der kühle, blaue Grundton, der beim „Mönch am Meer“ bildbeherrschend, bei der „Abtei im Eichwald“ nach der Smalte-Degeneration zumindest noch geringfügig vorhanden ist, nähert dieses berühmteste Bilderpaar der deutschen Romantik nach 200 Jahren wieder deutlich einander an.

Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Endzustand nach Restaurierung Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Endzustand nach Restaurierung Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Caspar David Friedrich, Abtei im Eichwald, Endzustand nach Restaurierung Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Caspar David Friedrich, Abtei im Eichwald, Endzustand nach Restaurierung Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider
Casa Bartholdy-Saal in der Alten Nationalgalerie mit Mönch am Meer im Endzustand  (links) und Fototafel des Vorzustandes; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Andres Kilger
Casa Bartholdy-Saal in der Alten Nationalgalerie mit Mönch am Meer im Endzustand (links) und Fototafel des Vorzustandes; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Andres Kilger
Casa Bartholdy-Saal in der Alten Nationalgalerie mit Abtei im Eichwald im Endzustand (links) und Fototafel des Vorzustandes Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Andres Kilger
Casa Bartholdy-Saal in der Alten Nationalgalerie mit Abtei im Eichwald im Endzustand (links) und Fototafel des Vorzustandes Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Andres Kilger
Casa Bartholdy-Saal in der Alten Nationalgalerie während der Retuschearbeiten Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Andres Kilger
Casa Bartholdy-Saal in der Alten Nationalgalerie während der Retuschearbeiten Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Andres Kilger
Restaurierungsatelier in der Alten Nationalgalerie während der Firnisabnahme Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Ramona Roth
Restaurierungsatelier in der Alten Nationalgalerie während der Firnisabnahme Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Ramona Roth

Der Mönch ist zurück. Die Restaurierung von Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“
Sonderpräsentation in der Alten Nationalgalerie, 22. Januar – 22. Mai 2016
Die Restaurierung wurde ermöglicht durch die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung.

Ein Fuchs kehrt zurück in die Kunstbibliothek

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Im Jahr 1886 schuf der Fotograf Ottomar Anschütz Momentaufnahmen eines Fuchses. Lange galt diese Serienfotografie aus der Sammlung der Kunstbibliothek, die Teil eines größeren Tierbilder-Konvolutes war, als verschollen – bis sie nun in einem Auktionskatalog wieder auftauchte.

Die ganze Geschichte der Bilder und ihrer Wiederentdeckung erzählt Ludger Derenthal, Leiter des Museums für Fotografie, den Kollegen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Interview. Wir zeigen hier derweil den über hundert Jahrte alten Reineke – ein niedlicher Geselle.

© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Ottomar Anschütz
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Ottomar Anschütz
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Ottomar Anschütz
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Ottomar Anschütz
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Ottomar Anschütz
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© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Ottomar Anschütz
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Ottomar Anschütz
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Ottomar Anschütz

Hans Holbein und das Geheimnis des Kaufmanns Georg Gisze

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Für die Ausstellung “Holbein in Berlin” gastiert das berühmteste der Berliner Porträts von Hans Holbein dem Jüngeren im Bode-Museum. Die Ausleihe bot Gelegenheit, das Werk eingehend zu untersuchen – Museumsassistentin Christine Seidel berichtet spannende Einzelheiten.

Für eine neue Ausstellung hat das berühmteste der Berliner Porträts von Hans Holbein dem Jüngeren seinen angestammten Platz in der Gemäldegalerie zeitweise verlassen: Das eindrucksvolle Bildnis des Danziger Kaufmanns Georg Gisze in seinem Kontor im Londoner Stalhof ist seit dem 21. Januar in der Ausstellung „Holbein in Berlin. Die Madonna der Sammlung Würth mit Meisterwerken der Staatlichen Museen zu Berlin“ im Bode-Museum zu sehen. Der temporäre Umzug bot eine einmalige Gelegenheit, das berühmte Werk des Renaissance-Meisters einmal genau zu untersuchen und seiner Entstehung einen Schritt näher zu kommen.

Hans Holbein d. J., Der Kaufmann Georg Gisze, 1532, Gemäldegalerie © Jörg P. Anders
Hans Holbein d. J., Der Kaufmann Georg Gisze, 1532, Gemäldegalerie © Jörg P. Anders

In einem holzvertäfelten Innenraum sitzt der Kaufmann und blickt den Betrachter an. Auf dem mit einem kostbaren anatolischen Teppich bedeckten Tisch vor ihm sind verschiedene Gegenstände ausgebreitet, die ihn als Mann von Welt und mit gutem Geschmack auszeichnen sollen. An den Wänden hängen Geschäftsbriefe und Siegel, auf den Regalen liegen vereinzelte Bücher. Die stilllebenhaften Elemente in Giszes dicht angefülltem Büro werden häufig symbolisch verstanden: so sollen die vergoldete Dosenuhr und die feine Glasvase auf dem Tisch an die Vergänglichkeit von Zeit und Schönheit erinnern.

Hin und wieder wurde die Fülle an Objekten auch negativ interpretiert: in der Raumecke wirke der Porträtierte hinter der Vase eingezwängt, Unwohlsein spräche aus seinem Blick und bestätige sich auch in seinem persönlichen Motto, das Holbein in weißen Lettern links auf die grün vertäfelte Wand des Kontors geschrieben hat: „Ohne Leid kein‘ Freud“ („Nulla sine merore voluptas“). Stephan Kemperdick, Kurator an der Berliner Gemäldegalerie, ist dieser Frage anlässlich der Ausstellungsvorbereitung noch einmal nachgegangen: Hat sich Georg Gisze tatsächlich in einer misslichen Lage porträtieren lassen? Und wenn ja, für wen soll ein solches Bildnis des Kaufmanns gedacht gewesen sein? So ist die Fokusausstellung im Bode-Museum um die Madonna der geeignete Anlass, dieses weitere Hauptwerk Holbeins einmal genauer anzuschauen.

Röntgenstrahlen offenbaren Verborgenes
Eine Technik, die auch bei der Untersuchung von Kunstwerken im Museum Einsatz findet, bringt uns einen Schritt näher: Ein altes Röntgenbild, das einigen Experten bereits bekannt war und in der älteren Holbein-Literatur durchaus berücksichtig wurde, liefert einen wichtigen Hinweis auf die Entstehung des Bildes. Für die Ausstellung wurde eine neue, besser lesbare Aufnahme angefertigt. Röntgenaufnahmen, die auch in der Gemäldegalerie zu den zentralen Techniken der restauratorischen und gemäldekundlichen Untersuchung gehören, bilden nicht die verwendeten Farben ab, sondern Elemente wie Malmaterialien und Bildträger, aus denen das Bild zusammengesetzt ist. Röntgenstrahlen werden von schweren Elementen wie Metallen absorbiert – im Röntgenbild erscheinen diese daher hell. So lässt sich zum Beispiel die Verteilung des hochgiftigen Bleiweiß, das bis zum Aufkommen industriell gefertigter Farben im späten 19. Jahrhundert vielseitig verwendet wurde, auf Röntgenaufnahmen sehr gut erkennen. Auf diese Weise kommen Restauratoren Veränderungen am Bild auf die Spur, die mit bloßem Auge gar nicht oder nur schwer zu erkennen sind.

Radiografie des Kaufmanns Georg Gisze, Gemäldegalerie © SMB, Christoph Schmidt
Radiografie des Kaufmanns Georg Gisze, Gemäldegalerie © SMB, Christoph Schmidt

So auch in dem berühmten Porträt des Georg Gisze: Die Radiografie zeigt deutlich, dass die Raumecke, die heute an der rechten Seite des Bildes zu sehen ist, ursprünglich auf der gegenüberliegenden Seite angelegt war. Der schräg in die Tiefe fluchtende Regalboden und die tragende Konsole sind nicht nur einmal, sondern zweimal in Farbe ausgeführt worden, bevor Holbein sich dazu entschied, die Raumecke auf der anderen Bildseite anzulegen – der ursprünglich bildparallel verlaufende, verzierte Holzbalken ist heute noch in Ansätzen über dem Kopf des Kaufmannes erkennbar. Die Position des Buches, dessen heller Schnitt sich deutlich in der Röntgenaufnahme abzeichnet, blieb hingegen gleich.

Detail , linke obere Ecke
Detail, linke obere Ecke
Detail aus der Radiografie, linke obere Ecke
Detail aus der Radiografie, linke obere Ecke

Und noch etwas hat Holbein verändert. Ursprünglich war Gisze frontal dargestellt, im Laufe der Arbeit hat der Maler den Kopf dann ins Dreiviertelprofil gedreht und auch den Blick modifiziert. Das rechte Auge und die Kopfbedeckung der ersten Fassung zeichnen sich klar auf dem Röntgenbild ab, im heutigen Zustand sind sie unter dem schwarzen Barett und den lockigen Haaren verschwunden.

Detail, Gesicht
Detail, Gesicht
Detail aus der Radiografie, Gesicht
Detail aus der Radiografie, Gesicht

Diese umfangreichen Veränderungen während des Malens haben sicherlich auch dazu beigetragen, dass die Raumsituation an einigen Stellen nicht ganz geklärt ist: So laufen die schmalen Holzleisten, hinter die die Briefe gesteckt sind, bildparallel über die rechte Raumecke – offenbar hat Holbein sie einfach aus der ersten Bildanlage übernommen und nicht an die endgültige Raumsituation angepasst. Der Kaufmann selbst wirkt mit seiner Drehung nach links viel stärker in die Ecke gedrängt, als es wohl in der ersten Fassung gedacht war.

Paradestück mit Korrekturen
Bei Holbeins Porträts findet man so große Umarbeitungen selten, denn für sie hat er häufig sehr genaue Zeichnungen in farbigen Kreiden angefertigt, die als Vorlage für die gemalten Bildnisse dienten. Von kaum einem Künstler dieser Zeit haben sich mehr Bildniszeichnungen erhalten, an denen auch Spuren der mechanischen Übertragung sichtbar sind. Ein Großteil dieser Zeichnungen befindet sich zwar in der Royal Collection in Windsor Castle, in der Ausstellung können wir aber auch ein solches Blatt von Hans Holbein dem Jüngeren zeigen, das aus dem Besitz des Berliner Kupferstichkabinetts stammt.

Den Kaufmann Gisze hat Holbein als Paradestück entworfen, um die neuen Auftraggeber in England von seinen künstlerischen Qualitäten zu überzeugen. Die Entstehungsgeschichte des wohl ersten Stalhof-Bildnisses, mit dem Holbein seinen Aufstieg in England begann, birgt sicher noch viele Überraschungen. Es bleibt zu hoffen, dass weiterführende gemäldekundliche und kunsttechnologische Untersuchungen sie dem Meisterwerk entlocken können.

Die Sonderausstellung „Holbein in Berlin. Die Madonna der Sammlung Würth mit Meisterwerken der Staatlichen Museen zu Berlin“ ist vom 21. Januar bis 08. Mai 2016 im Bode-Museum zu sehen. Auf dem begleitenden Ausstellungskatalog basieren die hier veröffentlichten Ergebnisse.

Die Auferstehung von Erigone und Hebe

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Sonderausstellungen bieten oftmals die seltene Gelegenheit, Stücke nach langer Lagerung aus dem Depot zu holen und sie aufzuarbeiten und zu restaurieren. Kuratorin Claudia Kanowski und Restauratorin Franziska Kierzek berichten von einem solchen Fall im Kunstgewerbemuseum, Schloss Köpenick.

Bei der Vorbereitung der Ausstellung „Tönerne Welten. Figürliche Keramik aus sechs Jahrhunderten“ haben wir im Depot zwei große Tonmodelle entdeckt, die lange nicht mehr ausgestellt waren und zu denen es nur spärliche Informationen gab. In kunsthistorischer, vor allem aber in restauratorischer Hinsicht war einiges zu tun, um die beiden Figuren präsentabel zu machen.

Es handelt sich um Gestalten aus der antiken Mythologie: „Hebe“ und eine Bacchantin, vermutlich „Erigone“. Hebe, die Mundschenkin der Götter, ist an Krug und Schale zu erkennen. Ihr Attribut ist ein Adler, der für den Göttervater Jupiter steht. Die zweite Figur stellt eine Bacchantin dar. Gemeint ist sicher Erigone, die von Bacchus in Gestalt einer Weinrebe verführt wurde. Sie hält eine Weinrebe mit Schale empor.

Beide Tonfiguren sind Modelle und waren vermutlich für eine Ausführung in Bronze bestimmt. Sie stammen ursprünglich aus einer Berliner Privatsammlung und wurden 1961 vom West-Berliner Kunstgewerbemuseum angekauft. Stilistisch sind sie dem französischen Klassizismus zuzuordnen und erinnern an Werke des berühmten Bildhauers Claude Michel, genannt Clodion, auch wenn sie wohl keine eigenhändigen Arbeiten von ihm sind. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts kam es zu einer regelrechten „Clodionomanie“, die zu zahlreichen Nachschöpfungen „à la manière de Clodion“ führte. Technische Indizien sprechen dafür, dass unsere Figuren wahrscheinlich zu Lebzeiten des Meisters entstanden sind.

Die Restaurierung der “Hebe”
Die knapp einen Meter hohe Figur der Hebe ist vollplastisch hohl mit einer offenen Standfläche gearbeitet. Auf der Unterseite des Sockels sind Fingerabdrücke in der Tonmasse sichtbar. Die Oberfläche weist einen leicht pigmentierten Überzug auf.
Leider ist die Figur der Hebe in einem fragmentierten Zustand erhalten. So sind bei älteren Restaurierungsmaßnahmen einige Fragmente miteinander verklebt worden, andere Bruchstücke liegen separat vor, vier Finger der rechten Hand sind nur noch im Ansatz vorhanden.

(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek

Mehrere vorhandene Klebungen begannen sich zum Teil wieder zu lösen, so dass die Fragmente noch miteinander verbunden sind, jedoch nicht mehr exakt aufeinander sitzen. Hierdurch bestand die Gefahr, dass die Klebung dem Gewicht des Fragmentes jederzeit nachgeben könnte, wodurch am Bruchstück sicherlich weitere Schäden entstanden wären. Zusätzlich trat der leicht vergilbte Klebstoff blasig und wulstartig aus den Klebefugen hervor. In manchen Bereichen der Klebenähte hat sich das Klebemittel durch seine Versprödung abgehoben, so dass hier helle Partien zu verzeichnen sind.

(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek

Diese Situation erforderte dringend eine Sicherung der vorhandenen Substanz. Daher entschlossen wir uns, die Plastik gänzlich zu überarbeiten. Hierfür wurde die Oberfläche der Figur zunächst teils trocken, teils mit einem Lösemittelgemisch gereinigt und die Plastik anschließend vollständig auseinandergenommen. Auch vermeintlich passgenaue feste Klebungen wurden wieder gelöst, da hier aufgrund des gealterten Klebemittels und des Eigengewichtes des Bruchstücks das gleiche Schadensbild wie beim gehobenen rechten Arm zu erwarten war.
Außerdem konnte bei ihnen nicht gewährleistet werden, wie lange sie noch halten und ob sie sich aufgrund des Eigengewichts nicht vielleicht auch bald soweit lösen würden wie beispielsweise der geklebte rechte Arm. So wurden letztlich alle insgesamt fünf miteinander verklebten Fragmente mit Hilfe lösemittelhaltiger Kompressen nach längerer Einwirkzeit wieder voneinander getrennt.

(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek

Abschließend wurden die Bruchflächen von Klebstoffresten durch Anlösen und mechanisches Abtragen entfernt. Dies erfordert eine penible Genauigkeit, um später eine möglichst hohe Passgenauigkeit zu erzielen. Es musste durch die entsprechende Wahl des Lösungsmittels darauf geachtet werden, den leicht pigmentierten Überzug nicht mit abzutragen.

(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek

Schließlich konnten alle gelösten sowie auch die drei bereits einzeln vorliegenden Fragmente mit einem Acrylat verklebt werden. Um die Bruchstücke während des Aushärtens des Acrylats miteinander eng zu verbinden und zu fixieren, wurden über die Klebenähte Dextrinstreifen gesetzt.

(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek

Ein kleiner, ausgebrochener Bereich an der Klebenaht des Fingers musste zur Stabilisierung gekittet werden. Hierfür wurde ein speziell angepasstes Gemisch aus angedicktem und pigmentiertem Kunststoff verwendet.
Abschließend wurden die Oberflächen im Bereich der Klebenähte, dort wo das Klebemittel die pigmentierte Oberfläche abgetragen hat, mit Aquarellfarben leicht retuschiert. Nach diesem letzten Schliff glänzten die Plastiken wieder fast wie neu.

(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek
(c) Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Foto: Franziska Kierzek

Die Ausstellung „Tönerne Welten. Figürliche Keramik aus sechs Jahrhunderten“ zeigt noch viele weitere spannende Depotfunde. Sie ist bis 12. Juni 2016 in Schloss Köpenick zu sehen. Ausstellungsbegleitend ist ein bebildertes Sonderheft der Zeitschrift „Keramos“ erschienen, in dem die einzelnen Themenbereiche und eine Auswahl der präsentierten Kunstwerke näher untersucht werden.

Bestandskatalog der Gemäldegalerie: Ganz genau geschaut

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Derzeit entsteht ein wissenschaftlicher Bestandskatalog der frühen niederländischen und französischen Malerei in der Gemäldegalerie. Aus diesem Anlass werden viele Werke ganz genau unter die Lupe genommen, wobei mitunter Spannendes entdeckt wird, wie die wissenschaftliche Volontärin Christine Seidel weiß.

Gustav Friedrich Waagen, der erste Direktor der Gemäldegalerie, hätte heute allen Grund zur Freude. 1830 ließ er verlauten: die Forschung zur Berliner Sammlung der Altniederländer sei noch zu jung, „um Ergebnisse von dem Umfang zu liefern, in welchem man sie sich in der Folge versprechen darf.“ Inzwischen ist die Sammlung jedoch um zahlreiche herausragende Werke angewachsen und im September 2015 startete an der Gemäldegalerie ein dreijähriges interdisziplinäres Projekt zur Katalogisierung der altniederländischen und französischen Tafelmalerei.

Nahezu alle großen Sammlungen altniederländischer Malerei verfügen über wissenschaftliche Kataloge ihrer Bestände – für die Sammlung der Gemäldegalerie fehlte ein solcher bislang. Nun wird ein wissenschaftlicher Bestandskatalog der frühen niederländischen und französischen Malerei, die mit Spitzenwerken wie der Kirchenmadonna von Jan van Eyck, dem Bildnis eines Mädchens von Petrus Christus, dem Middelburger-Altar von Rogier van der Weyden oder dem Montforte-Altar von Hugo van der Goes zu den weltweit bedeutendsten zählt, am Haus entstehen.

Petrus Christus: Bildnis einer jungen Frau, um 1470, Detail © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Jörg P. Anders
Petrus Christus: Bildnis einer jungen Frau, um 1470, Detail © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Jörg P. Anders

Vieles erfährt man, wenn man ganz genau hinschaut
Insgesamt 90 Werke, die zwischen 1400 und 1500 entstanden sind und damit den älteren Teil der Sammlung stellen, werden in diesen Katalog aufgenommen – denn vieles ist auch bei Altbekanntem neu zu entdecken und soll so der Forschung zugänglich gemacht werden. Dank der Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Ernst von Siemens Kunststiftung in Kooperation mit dem Rathgen-Forschungslabor wird das Projekt in den nächsten drei Jahren unser Wissen über die altniederländischen und französischen Werke der Gemäldegalerie entscheidend bereichern.

Ein Team aus Kuratoren, Restauratoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern der Gemäldegalerie wird jedes für den Katalog vorgesehene Werk ausführlichen gemäldetechnologischen Untersuchungen wie Röntgen-, Infrarot- und Mikroskopaufnahmen unterziehen und die Ergebnisse mit der kunsthistorischen Diskussion der einzelnen Objekte verbinden. Ziel ist es, Erkenntnisse über Provenienz, Funktion und Zuschreibung wie auch zur Bildgenese, Motiventwicklung und zu maltechnischen Besonderheiten und Veränderungen der Gemälde zu erarbeiten und umfassend zu präsentieren.

In der ersten Phase des Projektes geht es zunächst darum, die Werke eingehend zu studieren und zu verstehen, wie die Bilder entstanden sind. Wie haben die Maler gearbeitet und welche Spuren ihrer Geschichte verraten sie uns noch heute? Vieles erfährt man, wenn man ganz genau hinschaut.

Erwachen aus dem Dornröschenschlaf
Die erste Nummer des Katalogs wird ein ganz besonderes Bild: Die Schmetterlingsmadonna, die traditionell Johan Maelwael zugeschrieben wird, ist eines der frühesten bekannten Leinwandbilder aus dem Norden. Ihren Namen hat sie wegen der hübschen goldenen Falter bekommen, die am oberen Bildrand vor dem schwarzen Grund herumschwirren. Johan Maelwael war bis 1404 Hofmaler Philipp des Kühnen von Burgund und arbeitete danach auch für dessen Sohn Johann Ohnefurcht. Da sich nur eine Handvoll Bilder aus dieser Zeit erhalten haben, ist das Berliner Marienbild eine echte Sensation – doch wie kommt die nach Berlin?

Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein liegt die Geschichte des Bildes im Dunkeln, bis es ein Kirchenmitglied seiner Berliner Gemeinde St. Matthias stiftete. Dort schlummerte das Bild in der Sakristei in einem Dornröschenschlaf, bis man es 1957 zur Begutachtung in die Gemäldegalerie nach Dahlem brachte – man hielt es aufgrund der vielen Übermalungen für ein Werk des 19. Jahrhunderts. Der damalige Direktor des Kupferstichkabinetts, Friedrich Winkler, erkannte jedoch den wahren Wert als Bild aus der Zeit um 1400.

Johan Maelwael zugeschrieben: Madonna mit den Schmetterlingen, um 1415, © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Volker Schneider
Johan Maelwael zugeschrieben: Madonna mit den Schmetterlingen, um 1415, © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Volker Schneider

Hochinteressante Beobachtungen
Wie sieht so ein Bild von hinten aus? Man sieht den Keilrahmen aus neuerer Zeit, die Rückseite einer modernen Doublierung (eine rückseitig aufgelegte Leinwand, die zur Stabilisierung des originalen Bildträgers aufgebracht wurde) mit einer späteren Reparatur und einen Inventarzettel der Staatlichen Museen zu Berlin.

Madonna mit den Schmetterlingen: Rückseite © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt
Madonna mit den Schmetterlingen: Rückseite © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt

Das erscheint auf den ersten Blick nicht spektakulär, doch die Restauratorin Sandra Stelzig, die das Bild untersuchte, hat eine hochinteressante Beobachtung gemacht: Die Ränder des Bildes sind mit Papierstreifen aus einem Buch abgeklebt worden – in französischer Sprache! Das Bild wurde demnach im 19. Jahrhundert in Frankreich in den Zustand gebracht, in dem wir es heute sehen.

Madonna mit den Schmetterlingen: Rückseite, Detail der Abklebung am unteren Rand © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt
Madonna mit den Schmetterlingen: Rückseite, Detail der Abklebung am unteren Rand © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt

Mehr noch haben die ersten technologischen Untersuchungen zutage gefördert. Konnte man lange gar keine vorbereitende Unterzeichnung auf frühen Leinwand- oder Tüchleinbildern (in Tempera auf Leinwand gemalte Bilder, die keinen klassischen Kreidegrund besitzen) nachweisen, haben neuere Untersuchungen die Annahme, es gäbe derartige Unterzeichnungen nicht, inzwischen widerlegt. Sicher auch dank des verbesserten technischen Equipments, das den Museen heute zur Verfügung steht, können einige Hypothesen der älteren Forschung gerade im Bereich unseres Verständnisses der materiellen Eigenarten und Arbeitsweisen in der alten Kunst präzisiert oder revidiert werden.

Eine Reihe neuer Ergebnisse
Im Falle der Schmetterlingsmadonna hat die Infrarot-Reflektographie eine erstaunlich detaillierte Unterzeichnung zutage gefördert. Mit dieser Technik werden die Farbschichten gewissermaßen durchleuchtet und es können Hinweise über Malschichten, Veränderungen und eben auch die Unterzeichnung gewonnen werden. Da kohlenstoffhaltige Mal- und Zeichenmaterialien Infrarotlicht besonders stark absorbieren, erscheinen sie in einer solchen Aufnahme dunkel. Wird die Unterzeichnung mit einem Pinsel zum Beispiel in einer mit Ruß gemischten Farbe oder trocken mit Kohle aufgetragen, ist diese im besten Fall auch in der Infrarot-Reflektographie sichtbar: Mit kräftigen Strichen hat der Maler der Schmetterlingsmadonna die kostbar gewandeten Engel vorbereitet, Haarlocken entschieden kringelig angegeben und teilweise Schatten durch Schraffuren angegeben. Die erste Position des im Profil gezeigten Engels rechts außen, der zur Maria aufblickt, hat der Maler sogar überarbeitet; was im Infrarotbild aussieht wie zwei übereinander gelagerte Köpfe, ist in Wirklichkeit die als dunkle Linien erscheinende erste Anlage des Profils und die dann in Farbe ausgeführte Fassung, die näher an Maria rückt.

Madonna mit den Schmetterlingen: Infrarot-Reflektogramm, Detail: Engel in der rechten Bildhälfte © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt
Madonna mit den Schmetterlingen: Infrarot-Reflektogramm, Detail: Engel in der rechten Bildhälfte © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt

Eine Reihe neuer Ergebnisse hat die bisherige Arbeit bereits zutage gefördert. Auch die junge Frau zu Beginn unseres Beitrags, die zu den Meisterwerken von Petrus Christus gehört und eines der frühesten Porträts in einem Innenraum zeigt, kommt in den Katalog – nur muss sie sich noch ein bisschen gedulden.

Petrus Christus: Bildnis einer jungen Frau, um 1470 © Staatliche Museen zu  Berlin, Gemäldegalerie / Jörg P. Anders
Petrus Christus: Bildnis einer jungen Frau, um 1470 © Staatliche Museen zu
Berlin, Gemäldegalerie / Jörg P. Anders

Wissenschaftlicher Bestandskatalog der frühen niederländischen und französischen Gemälde in der Gemäldegalerie
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Ernst von Siemens Kunststiftung
In Kooperation mit dem Rathgen-Forschungslabor

Vom Kulturforum nach Oberschöneweide. Wo ist die Kunst aus der Neuen Nationalgalerie?

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Was passiert, wenn die komplette Sammlung eines Museums vorübergehend ausziehen muss? Unsere Redakteurin Constanze von Marlin hat sich mit der Restauratorin der Neuen Nationalgalerie, Hana Streicher, über Verpackung, Transport und Unterbringung der wertvollen Kunstwerke unterhalten.

Fast einmal pro Woche fährt die Restauratorin Hana Streicher von ihrem derzeitigen Arbeitsplatz im Hamburger Bahnhof zu einem der Depots, in denen die Kunstwerke der Neuen Nationalgalerie derzeit gelagert werden. Denn mit den 967 Gemälde, 459 Skulpturen und 24 Außenskulpturen der Sammlung der Nationalgalerie wird trotz Schließung des Museums während der Grundsanierung weiterhin gearbeitet.

Die Restauratorin Hana Streicher an ihrem neuen Arbeitsplatz im Hamburger Bahnhof. Foto: Schmedding.vonMarlin.
Die Restauratorin Hana Streicher an ihrem neuen Arbeitsplatz im Hamburger Bahnhof. Foto: Schmedding.vonMarlin.

Die Aufbewahrungsorte standen nach umfangreichen Recherchen und unter Berücksichtigung klimatischer und sicherheitsrelevanter Fragen fest: Eigene Depots der Staatlichen Museen zu Berlin in Haus 9 auf der Museumsinsel, in der Sammlung Scharf-Gerstenberg in Charlottenburg und in Hohenschönhausen beherbergen nun die Gemälde und Skulpturen, außerdem wurden externe Objekte in Großbeeren und Oberschöneweide angemietet. „Genau wie in der Neuen Nationalgalerie, habe ich dank der eigens eingebauten Schiebewandanlage in dem angemieteten Gemäldedepot die Möglichkeit, die überwiegende Anzahl der Bilder offen anzuschauen“, sagt Hana Streicher. Besonders staubempfindliche Gemälde lagern in Transportrahmen.

“Die Verpackung von Gemälden ist im Vergleich Skulpturen ‚einfach‘”
Eine international so bedeutende Sammlung wie die der Nationalgalerie verzeichnet einen hohen Leihverkehr. Gerade bereitet Streicher den Transport eines Gemäldes von Paula Modersohn-Becker nach Paris vor. Das Stillleben wurde auf einer Holztafel gemalt und braucht nun als Schutz eine Verglasung. Das Besondere an der derzeitigen Situation ist, dass das Werk für die transportvorbereitenden Maßnahmen extra aus Oberschöneweide in den Hamburger Bahnhof gebracht werden muss, bevor es sicher verpackt an seinen Ausstellungsort reisen kann.

Ob für den Leihverkehr oder die Auslagerung der Kunstwerke aus den Ausstellungsräumen und dem Depot der Neuen Nationalgalerie: alle Objekte werden einzeln gesichtet, von allen Seiten fotografiert, hinsichtlich erforderlicher transportsichernder Maßnahmen untersucht und es werden individuelle Verpackungen angefertigt. Von einem Team freiberuflicher Restauratoren unter der Begleitung von Hana Streicher wurden transportrelevante Schäden, wie etwa lose Farbpartikel, gefestigt und teilweise die Oberflächen gereinigt. „Gemälde“, so Streicher, „sind in der Regel einfach zu handhaben. Die Verpackung von Gemälden ist im Vergleich zur Verpackung von Skulpturen ‚einfach‘. Mit Schwingschutz und Rückseitenschutz sind auch die großen Formate meist gut verpackt.“ Schwieriger war schon, das Gemälde „Revolution“ (1912/13) des Malers Ludwig Meidner transportfähig zu machen, denn die 80 mal 116 cm große Leinwand ist beidseitig sehr pastos bemalt. Um die stark krakelierte Oberfläche zu schützen, wurde eine Sandwich-Verpackung mit Kunststoff-Kissen gebaut, die genau an das Bild und seinen Rahmen angepasst sind.

Die Sandwich-Verpackung für das Gemälde von Ludwig Meidner. Foto: Schmedding.vonMarlin.
Die Sandwich-Verpackung für das Gemälde von Ludwig Meidner. Foto: Schmedding.vonMarlin.

Es wird gemischt gepackt, um den Verlust kompletter Werkgruppen auszuschließen
Von November 2014 bis August 2015 wurden die transportvorbereitenden Arbeiten durchgeführt. Von Juli 2015 bis Dezember 2015 wurden die Kunstwerke in der Reihenfolge der Einlagerung an den verschiedenen Standorten in der Neuen Nationalgalerie verpackt. Jeder Transport wurde von Restauratoren begleitet, die sowohl beim Einpacken als auch beim Auspacken die Handhabung der Kunstwerke überwachten. Das Beladen der LKW war wiederum eine eigene logistische Leistung, denn entscheidend für die Anzahl der Kunstwerke auf der Ladefläche war nicht nur ihr Volumen, sondern auch ihr Versicherungswert – so dass zum Teil nur einzelne Gemälde aufgeladen wurden. Bei Fahrten mit mehreren Kunstwerken mussten es wiederum Gemälde oder Skulpturen von unterschiedlichen Künstlern sein, damit bei einem möglichen Schaden beispielsweise nicht alle Werke aus der Sammlung der Nationalgalerie von Ernst Ludwig Kirchner betroffen wären.

Die Beräumung der Kunstobjekte ist Teil der gesamten Instandsetzungsmaßnahme des Gebäudes und wurde auch durch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung koordiniert und geleitet. Für Planung und Durchführung von der Suche der Lagerorte, der Gestaltung der Transportvorbereitung sowie der Koordinierung der Logistik wurde die Restaurierungsplanerin Cornelia Rüth beauftragt. Die enge Abstimmung mit Hana Streicher und Joachim Jäger, dem Leiter der Neuen Nationalgalerie, war dabei ein wichtiger Baustein des Erfolges.

Der Kran kam bei 7.800 Kilogramm schweren Granitblöcken an die Kapazitätsgrenze
Hana Streicher erinnert sich: „Die Verpackung und der Transport von den äußerst fragilen bis tonnenschweren Skulpturen war eine besondere Herausforderung“. Die Außenskulpturen brauchten neben der Berücksichtigung konservatorischer Aspekte eine ausgeklügelte statische, technische und logistische Planung. So hat etwa die fünfteilige Skulptur „Granit Bleu de Vire“ von Ulrich Rückriem auf der Freifläche neben dem Museum ein Gewicht von 23 Tonnen. Der Kran kam beim Heben der bis zu 7.800 Kilogramm schweren Granitblöcke an seine Kapazitätsgrenze, weil der Arm maximal ausgefahren werden musste, um über die Grünfläche zu reichen.

Abtransport der tonnenschweren Rückriem-Skulptur. (c) Thomas Bruns
Abtransport der tonnenschweren Rückriem-Skulptur. (c) Thomas Bruns

Für die Festlegung der Lagerungsbedingung wiederum, musste Rückriems künstlerisches Verfahren berücksichtigt werden. Durch Spalten und Sägen zerteilt der Künstler einen Steinblock, um die Teile anschließend passgenau wieder zusammenzufügen. Was sich nach einem einfachen Baukastenprinzip anhört, ist eine zu komplizierte Angelegenheit, um sie im Außendepot in Hohenschönhausen und dann wieder bei der Rückführung am ursprünglichen Standort ein zweites Mal auszuführen, denn eine kleine Verkantung könnte das Kunstwerk schon beschädigen. Warum kann man nicht einfach die wetterfesten Steinblöcke für fünf Jahre nebeneinander auf einem Außengelände lagern? Weil das Wetter mit Regen, Schnee, Kälte und Hitze Witterungsspuren mit bestimmten Verläufen auf der Oberfläche des Granits hinterlässt, die Teil des künstlerischen Konzepts sind. „Deshalb wurden die Blöcke nun eingehaust.“

Hana Streicher ist zufrieden, dass das Holzhaus für die Rückriem-Blöcke eine Tür hat, um nach deren Zustand sehen zu können. Wenn auch nicht mehr in der Nähe ihres Arbeitsplatzes, so hat sie auf diese Weise doch die Kunstwerke, die sie seit 1984 restauratorisch betreut, an jedem Ersatzstandort immer im Blick.

Schmedding.vonMarlin.

Titelbild: (c) SPK, Pierre Adenis

Depot Sammlung Scharf-Gerstenberg. © Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung / Cornelia Rüth
Depot Sammlung Scharf-Gerstenberg. © Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung / Cornelia Rüth
Depot Haus 9, Museumsinsel. © Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung / Cornelia Rüth
Depot Haus 9, Museumsinsel. © Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung / Cornelia Rüth
Mietdepot für die Möbel, unter anderem die berühmten "Barcelona Chairs" von Mies van der Rohe. © Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung / Cornelia Rüth
Mietdepot für die Möbel, unter anderem die berühmten “Barcelona Chairs” von Mies van der Rohe. © Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung / Cornelia Rüth
Mietdepot in Oberschöneweide. © Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung / Cornelia Rüth
Mietdepot in Oberschöneweide. © Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung / Cornelia Rüth
Was beim Auszug aus der Neuen Nationalgalerie aus der Restaurierungswerkstatt übrig blieb. Foto: Hana Streicher
Was beim Auszug aus der Neuen Nationalgalerie aus der Restaurierungswerkstatt übrig blieb. Foto: Hana Streicher
Hana Streicher im Depot der Neuen Nationalgalerie vor der Sanierung. (c) SPK, Pierre Adenis
Hana Streicher im Depot der Neuen Nationalgalerie vor der Sanierung. (c) SPK, Pierre Adenis

Tür in die Vergangenheit: Ein spanisches Kleinod in der Gemäldegalerie

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Im Vorfeld der großen Ausstellung „El Siglo de Oro“ in der Gemäldegalerie präsentierten die dortigen Fachleute ein besonderes Kleinod. Das Gemälde des spanischen Künstlers Juan Antonio de Frías y Escalante (1633-1669) birgt ein interessantes Geheimnis …

Auf der Flucht vor Isebel, der Frau des israelischen Königs Ahab, ist der Prophet Elias erschöpft im Schatten eines Baumes eingeschlafen. Ein Engel hat sich über Elias gebeugt und versucht, ihn mit einer zarten Berührung an der Schulter zu wecken. Mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand weist er auf einen Laib Brot und einen mit Wasser gefüllten Krug.

Juan Antonio de Frias y Escalante: Der Engel erweckt den Propheten Elias in der Wüste, um 1650/60, © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Foto: Jörg P. Anders
Juan Antonio de Frias y Escalante: Der Engel erweckt den Propheten Elias in der Wüste, um
1650/60, © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Foto: Jörg P. Anders

Diese biblische Szene auf einem 49×33 cm großen Pinienholz-Täfelchen beschäftigt derzeit die Fachleute der Gemäldegalerie. Im Zuge der Vorbereitungen für die große Ausstellung „El Siglo de Oro – Die Ära Velazquez“ wurde das Gemälde „Der Engel weckt den Propheten Elias in der Wüste“ (ca. 1650/60) eingehend untersucht – mit überraschendem Ergebnis. „Bei der Überprüfung einer Röntgenaufnahme des Bildes entdeckten wir eine Fehlstelle“, erklärt die Leiterin der Restaurierungswerkstatt, Babette Hartwieg, „dabei handelte es sich um ein Schlüsselloch.“ Zudem, so erklärt die Wissenschaftlerin weiter, sind in den Röntgenaufnahmen an der rechten Seite des Bildträgers zwei Scharniere zu erkennen. Diese Indizien sowie die Ausführung auf Holz und das kleine Format erhärten den Verdacht: Vermutlich hat es sich bei dem Objekt einst um ein verschließbares Türchen gehandelt.

Babette Hartwieg, die Leiterin der Restaurierungswerkstatt, berichtet von der Untersuchung des Gemäldes. Foto: SMB / Sven Stienen
Babette Hartwieg, die Leiterin der Restaurierungswerkstatt, berichtet von der Untersuchung des Gemäldes. Foto: SMB / Sven Stienen

Da die im Bild festgehaltene alttestamentarische Speisung des Propheten Elias eine häufig verwendete vorausdeutende Darstellung für das Abendmahl ist, fungierte es mit großer Wahrscheinlichkeit als Tür eines Schränkchens, in dem in einer Kirche die Hostien und der Abendmahlskelch aufbewahrt wurden – vielleicht auch als Teil eines großen Altars. In Spanien kommen derartige, mit bildlichen Darstellungen versehene Türchen in zahlreichen Sockeln von Altarretabeln des 17. Jahrhunderts vor.

„Es ist schon etwas Besonderes, wenn man sich vorstellt, wie der Priester vor der Feier des Abendmahls diese Tür öffnete und die Hostien herausholte“, begeistert sich Kurator Sven Jakstat, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ausstellung mitarbeitet. „Diese Brücke in die Vergangenheit wollen wir für die Besucher der Ausstellung El Siglo de Oro vermehrt schlagen und Ihnen auf diese Weise neue Perspektiven auf die Kunst des 17. Jahrhunderts ermöglichen“, erklärt er weiter.

Kurator Sven Jakstat vor „Der Engel weckt den Propheten Elias in der Wüste“ (ca. 1650/60) von Juan Antonio Escalante in der Restaurierungswerkstatt der Gemäldegalerie. Foto: SMB / Sven Stienen
Kurator Sven Jakstat vor „Der Engel weckt den Propheten Elias in der Wüste“ (ca. 1650/60) von Juan Antonio Escalante in der Restaurierungswerkstatt der Gemäldegalerie. Foto: SMB / Sven Stienen

Das Gemälde wurde aufgrund der überaus lockeren, an die venezianische Malerei erinnernden Malweise lange dem italienischen Barockmaler Francesco Maffei zugeschrieben. Die Ergebnisse der kunsttechnologischen Untersuchung des Werkes erhärten nun jedoch die vermutete Herkunft des Gemäldes aus Spanien, wo es aufgrund stilistischer Argumente seit den 1970er Jahren mit Juan Antonio de Frías y Escalante (1633-1669) aus Madrid in Verbindung gebracht wurde. Einen genaueren Blick auf das Original können Interessierte im Rahmen von „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“ werfen, wo es als Werk Escalantes im Kontext der großen spanischen Meister wie El Greco und Velázquez präsentiert wird.

Das Gemälde „Der Engel weckt den Propheten Elias in der Wüste“ (ca. 1650/60) von Juan Antonio Escalante in der Restaurierungswerkstatt der Gemäldegalerie. Foto: SMB / Sven Stienen
Das Gemälde „Der Engel weckt den Propheten Elias in der Wüste“ (ca. 1650/60) von Juan Antonio Escalante in der Restaurierungswerkstatt der Gemäldegalerie. Foto: SMB / Sven Stienen
Roberto Contini, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gemäldegalerie, vor dem Gemälde „Der Engel weckt den Propheten Elias in der Wüste“ (ca. 1650/60). Foto: SMB / Sven Stienen
Roberto Contini, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gemäldegalerie, vor dem Gemälde „Der Engel weckt den Propheten Elias in der Wüste“ (ca. 1650/60). Foto: SMB / Sven Stienen
Kurator Sven Jakstat vor „Der Engel weckt den Propheten Elias in der Wüste“ (ca. 1650/60) von Juan Antonio Escalante in der Restaurierungswerkstatt der Gemäldegalerie. Foto: SMB / Sven Stienen
Kurator Sven Jakstat vor „Der Engel weckt den Propheten Elias in der Wüste“ (ca. 1650/60) von Juan Antonio Escalante in der Restaurierungswerkstatt der Gemäldegalerie. Foto: SMB / Sven Stienen
Babette Hartwieg, die Leiterin der Restaurierungswerkstatt, berichtet von der Untersuchung des Gemäldes. Foto: SMB / Sven Stienen
Babette Hartwieg, die Leiterin der Restaurierungswerkstatt, berichtet von der Untersuchung des Gemäldes. Foto: SMB / Sven Stienen
Babette Hartwieg, die Leiterin der Restaurierungswerkstatt, berichtet von der Untersuchung des Gemäldes. Foto: SMB / Sven Stienen
Babette Hartwieg, die Leiterin der Restaurierungswerkstatt, berichtet von der Untersuchung des Gemäldes. Foto: SMB / Sven Stienen
„Bei der Überprüfung einer Röntgenaufnahme des Bildes entdeckten wir eine Fehlstelle“, erklärt die Leiterin der Restaurierungswerkstatt, Babette Hartwieg, „dabei handelte es sich um ein Schlüsselloch.“  Foto: SMB / Sven Stienen
„Bei der Überprüfung einer Röntgenaufnahme des Bildes entdeckten wir eine Fehlstelle“, erklärt die Leiterin der Restaurierungswerkstatt, Babette Hartwieg, „dabei handelte es sich um ein Schlüsselloch.“ Foto: SMB / Sven Stienen
„Bei der Überprüfung einer Röntgenaufnahme des Bildes entdeckten wir eine Fehlstelle“, erklärt die Leiterin der Restaurierungswerkstatt, Babette Hartwieg, „dabei handelte es sich um ein Schlüsselloch.“  Foto: SMB / Sven Stienen
„Bei der Überprüfung einer Röntgenaufnahme des Bildes entdeckten wir eine Fehlstelle“, erklärt die Leiterin der Restaurierungswerkstatt, Babette Hartwieg, „dabei handelte es sich um ein Schlüsselloch.“ Foto: SMB / Sven Stienen
„Bei der Überprüfung einer Röntgenaufnahme des Bildes entdeckten wir eine Fehlstelle“, erklärt die Leiterin der Restaurierungswerkstatt, Babette Hartwieg, „dabei handelte es sich um ein Schlüsselloch.“  Foto: SMB / Sven Stienen
„Bei der Überprüfung einer Röntgenaufnahme des Bildes entdeckten wir eine Fehlstelle“, erklärt die Leiterin der Restaurierungswerkstatt, Babette Hartwieg, „dabei handelte es sich um ein Schlüsselloch.“ Foto: SMB / Sven Stienen
Babette Hartwieg, Leitende Restauratorin der Gemäldegalerie. Foto: SMB / Sven Stienen
Babette Hartwieg, Leitende Restauratorin der Gemäldegalerie. Foto: SMB / Sven Stienen
Um interessante Indizien auf der Rückseite zu zeigen, wird das Gemälde umgedreht. Foto: SMB / Sven Stienen
Um interessante Indizien auf der Rückseite zu zeigen, wird das Gemälde umgedreht. Foto: SMB / Sven Stienen
Die Rückseite offenbarte laut Babette Hartwieg, dass es sich beim Bildträger wahrscheinlich um eine Tür handelte. Foto: SMB / Sven Stienen
Die Rückseite offenbarte laut Babette Hartwieg, dass es sich beim Bildträger wahrscheinlich um eine Tür handelte. Foto: SMB / Sven Stienen
Die Rückseite offenbarte laut Babette Hartwieg, dass es sich beim Bildträger wahrscheinlich um eine Tür handelte. Foto: SMB / Sven Stienen
Die Rückseite offenbarte laut Babette Hartwieg, dass es sich beim Bildträger wahrscheinlich um eine Tür handelte. Foto: SMB / Sven Stienen
Die Rückseite offenbarte laut Babette Hartwieg, dass es sich beim Bildträger wahrscheinlich um eine Tür handelte. Foto: SMB / Sven Stienen
Die Rückseite offenbarte laut Babette Hartwieg, dass es sich beim Bildträger wahrscheinlich um eine Tür handelte. Foto: SMB / Sven Stienen
Die Röntgenaufnahme des Gemäldes offenbart bisher Verborgenes. Foto: SMB / Sven Stienen
Die Röntgenaufnahme des Gemäldes offenbart bisher Verborgenes. Foto: SMB / Sven Stienen

Der Elch vom Hansaplatz im Neuen Museum

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Heute vor 60 Jahren wurde beim Bau einer U-Bahn-Linie am Berliner Hansaplatz das Skelett eines riesigen eiszeitlichen Elchs gefunden. Seit damals hat sich der “Elch vom Hansaplatz” zu einer der großen Attraktionen im Museum für Vor- und Frühgeschichte auf der Museumsinsel entwickelt.

Der Elch vom Hansaplatz war gigantisch. Allein das kapitale Schaufelgeweih dieses Breitstirnelchs erreichte eine Spannweite von ca. 1,50 Metern und wog bis zu 20 Kilo. Die beachtliche Körperlänge von 2,70 Metern war im Verhältnis zu seinen Beinen noch recht kurz. Dank dieses Körperbaus, mit langen Beinen und Hufen mit stark gespreizten Zehenknochen, konnte er über feuchten Boden und tiefen Schnee laufen, ohne einzusinken. Beides stellt eine Anpassung an die sehr ungemütlichen Bedingungen der späten Eiszeit in Europa dar, in der weitläufige Tundren allmählich von sich ausbreitenden nordischen Wäldern verdrängt wurden. Dass unser Elch zu dieser Zeit, der Jüngeren Dryas- oder Tundrazeit, gelebt hatte, verriet seine Fundsituation in entsprechenden Bodenschichten, zusammen mit einer exakten C-14-Messung im Leibniz-Labor der Universität Kiel.

Der Elch in einer älteren Präsentation des Museums für Vor- und Frühgeschichte. (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Claudia Plamp
Der Elch in einer älteren Präsentation des Museums für Vor- und Frühgeschichte. (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Claudia Plamp

Entdeckt wurde der mächtige Elch vor genau 60 Jahren: Am 16. Mai 1956 stießen Bauarbeiter bei den Arbeiten an der damals völlig neuen U-Bahn „Linie G“ – der heutigen U9 – auf Knochen, die sich bei ihrer Freilegung als vollständig erhaltenes Skelett entpuppten – eine kleine Sensation. Im Museum für Vor- und Frühgeschichte wurde das Elchskelett wieder zusammengesetzt und ist seither eines der größten und imposantesten Objekte in der Sammlung. Seit der Wiedereröffnung des Neuen Museums im Jahr 2009 ist es ein Publikumsmagnet der dortigen Dauerausstellung im Saal der Steinzeiten.

So wird der Elch vom Hansaplatz heute im Neuen Museum präsentiert. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte
So wird der Elch vom Hansaplatz heute im Neuen Museum präsentiert. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte

Jäger und Sammler waren den Tieren auf der Spur
Die Lebenszeit des Elchs vor etwa 11.000 Jahren war durch starke klimatische Veränderungen geprägt. Bäume wie Birke und Kiefer drangen in die eisfrei gewordene norddeutsche Tundra vor und bildeten Wälder – es muss eine sehr raue, archaische Landschaft gewesen sein. Ein Zeichen dafür, dass es auch im Berliner Raum Klimaschwankungen gegeben hat und neben kalter Tundra phasenweise feuchtwarmes Wetter vorherrschte, ist der Fund einer Sumpfschildkröte, deren Überreste damals ebenfalls am Hansaplatz zu Tage gefördert wurden. Der Panzer ist gemeinsam mit dem Elchskelett in der Dauerausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte zu sehen.

Nichtsesshafte Jäger der sogenannten Ahrensburger Kultur durchstreiften damals unser Stadtgebiet, immer auf der Suche nach essbaren Pflanzen und jagdbarem Wild. Diese Menschen fertigten auch einen besonders interessanten Fund: Eine angespitzte Rentier-Geweihstange von 28 cm Länge, die ihnen vermutlich als Stoßwaffe diente.
Bereits in der Altsteinzeit haben die Menschen Elche beobachtet und sicher auch gejagt. Das belegen zum Beispiel Höhlenzeichnungen wie die einer Elchkuh in der Höhle von Gargas in Frankreich, die einer C-14-Datierung zufolge etwa 24.640 Jahre alt ist.

Nachbildung einer Höhlenmalerei mit Rentieren aus der Höhle von Font le Gaume, Les Eyzies, Dordogne, Frankreich; um 12 000 - 11 000 v. Chr., mittleres Magdalénien (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Jürgen Liepe
Nachbildung einer Höhlenmalerei mit Rentieren aus der Höhle von Font le Gaume, Les Eyzies, Dordogne, Frankreich; um 12 000 – 11 000 v. Chr., mittleres Magdalénien (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Jürgen Liepe

Ein weiteres kleines Kunstwerk vom Ende der Eiszeit ist der „Bernsteinelch von Weitsche“, der heute im Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover präsentiert wird. Die kleine, geweihlose Figur einer Elchkuh aus Bernstein wurde zwischen 1994 und 2004 bei Ausgrabungen in der Nähe von Hitzacker gefunden und wurde in der ausgehenden Altsteinzeit von frühen Waldjägern hergestellt, die aufgrund ihrer charakteristisch-federförmigen Steinwerkzeuge als Federmesser-Gruppen bezeichnet werden. Zu dieser Zeit waren bereits innovative Technologien wie Pfeil und Bogen oder Speerschleudern in Gebrauch, mit denen Jagd unter anderem auf die majestätischen Riesenelche gemacht wurde.

Nachbildung einer Gravierung eines Bären nach einem Original aus der Höhle von Les Combarelles, Les Eyzies, Dordogne, Frankreich, um 12 000 v. Chr., Mittleres Magdalénien (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Jürgen Liepe
Nachbildung einer Gravierung eines Bären nach einem Original aus der Höhle von Les Combarelles, Les Eyzies, Dordogne, Frankreich, um 12 000 v. Chr., Mittleres Magdalénien (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Jürgen Liepe

Eine faszinierende Reise in die Vergangenheit
Die französische Höhlenzeichnung, ebenso wie die niedersächsische Bernsteinfigur, die übrigens einmal zur Datierung einer ähnlichen Pferde-Figur aus der Sammlung des Museums für Vor- und Frühgeschichte herangezogen wurde, wird in den Vitrinen unserer Dauerausstellung als Abbildungen gezeigt.

Anlässlich des Jahrestages der Entdeckung des Elchs vom Hansaplatz werden im Neuen Museum nun in zwei Vitrinen außerdem einige der Funde gezeigt, die damals am Hansaplatz ausgegraben wurden. Alle diese Funde sind bedeutend für die Rekonstruktion von Flora, Fauna und Klima am Ende der letzten Eiszeit im Berliner Raum – so ermöglichen sie eine faszinierende Reise in die Vergangenheit, als zwischen Alex und Brandenburger Tor noch Jägersippen, Säbelzahnkatzen und Riesenelche unterwegs waren.

Ein Diorama zeigt die Rekonstruktion eines Mammutjägerlagers, nach Grabungsbefunden in Dolni-Vestonice/Unterwisternitz, Mähren, wo eine Jagdstation des Gravettien (ca. 31.000-25.000 v. Chr.) aufgedeckt wurde. So ähnlich könnten auch die Lager der Jäger ausgesehen haben, die in der Mitteleuropäischen Tundra unterwegs waren. (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Jürgen Liepe
Ein Diorama zeigt die Rekonstruktion eines Mammutjägerlagers, nach Grabungsbefunden in Dolni-Vestonice/Unterwisternitz, Mähren, wo eine Jagdstation des Gravettien (ca. 31.000-25.000 v. Chr.) aufgedeckt wurde. So ähnlich könnten auch die Lager der Jäger ausgesehen haben, die in der Mitteleuropäischen Tundra unterwegs waren. (c) bpk / Museum für Vor- und Frühgeschichte, SMB / Jürgen Liepe

Schmuck für Cranach im Kunstgewerbemuseum: Preziosen aus dem Land der Moderne

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Die Ausstellung „Beautiful Mind“ im Kunstgewerbemuseum zeigt zeitgenössische Interpretationen von Schmuckstücken auf Gemälden Cranachs des Jüngeren. Sie basiert auf einem gleichnamigen Wettbewerb der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt. Wir sprachen mit deren Direktorin Manon Bursian.

Frau Bursian, wie kam es eigentlich zu dem Wettbewerb und was genau war die Aufgabenstellung?
Am Anfang stand der Wunsch, Lucas Cranach dem Jüngeren zu seinem 500. Geburtstag ein besonderes Geschenk zu machen: ein prächtiges Schmuckstück, das in der Renaissance wurzelt, aber ganz modern ist. Zu Cranachs Lebzeiten waren aufwändig gestaltete Schmuckstücke aus kostbaren Metallen, Perlen und Edelsteinen Ausdruck für den Reichtum und sozialen Status ihrer Träger und Trägerinnen. Wir haben uns überlegt, heutige Künstlerinnen und Künstler zu bitten, sich mit der Schmuckkunst der Renaissance auseinanderzusetzen. Heraus kamen großartige Interpretationen von Schmuckstücken, die Cranach der Jüngere, seine Frauen, Söhne und Töchter und die von ihm porträtierten Zeitgenossen getragen haben. Ich muss an dieser Stelle hervorheben, dass der Beautiful-Mind-Wettbewerb mit Abstand der erfolgreichste Wettbewerb war, den die Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt seit ihrer Gründung vor gut zehn Jahren initiiert und begleitet hat. Die ungeahnt große Zahl der Wettbewerbsbeteiligten mit 146 Einsendungen zeigte, dass die deutsche Schmuckszene, um ganz unbescheiden zu sein, eigentlich auf so eine Idee gewartet hat.

Wie unterscheidet sich zeitgenössisches Schmuckdesign von Schmuckdesign zu Cranachs Zeiten?
Adel und wohlhabendes Bürgertum entdeckten zu Cranachs Zeiten eine Leidenschaft für Luxus und Repräsentation. Der Reichtum der Goldschmiedekunst und die Begeisterung für neue Formen und bilderreiche Kombinationen zeugen von der Lust am Schmücken und dem Spiel mit dem Material gleichermaßen. Schöpfergeist und Wagnis sind auch den heutigen Künstlern eigen. Einzig die Materialien und die technischen Bedingungen sind heute vielfältiger.

Was ist in Ihren Augen das Besondere an Schmuck und Schmuckdesign?
Vor der Kleidung war der Schmuck. Hermann Parzinger hat in seinem Prometheus-Buch ja schön davon erzählt, dass der Schmuck seit Menschengedenken seine eigene Faszination entfaltet. Der moderne Schmuck genießt trotz der industriellen Herstellung wieder mehr und mehr das Vertrauen von Privatkunden, die das hohe Können und aufrichtige Streben anerkennen und letztlich fördern. Der Künstler heute sucht nach Symbolik, Liebesbeweisen und identitätsstiftende Eigenschaften. Nur wer all diese Wünsche erfüllt, kann besonders sein. Gleichzeitig gibt es in der Schmuckszene die Haltung, vom Alltäglichen abzuweichen und etwas einzigartig Schönes zu schaffen.

Wie definieren Sie die Rolle der Kulturstiftung des Landes Sachsen-Anhalt?
Die Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt sieht sich als Anstifterin für spannende, experimentelle Kunst, die aber auch ein großes Publikum findet. Das ist uns ganz wichtig. Insofern war das Initiativprojekt »Beautiful Mind. Ein Schmuckstück für Cranach« ideal: hohe Resonanz, interessante Arbeiten und nun auch noch eine Ausstellung in Berlin. Was will man mehr?

Gibt es in Sachsen-Anhalt denn eigentlich Resonanz für solche Anstiftungen? Man hört ja immer wieder, es sei ein schrumpfendes Land, in dem junge Leute keine Perspektiven hätten.
Sachsen-Anhalt ist aus der Geschichte heraus ein Land der Moderne. Das Bauhaus kam 1926 nicht ohne Grund nach Mitteldeutschland. Heute hat es eine kleine, aber unglaublich quirlige Gestalterszene – von Künstlern, Designern bis hin zu Modemachern. Inzwischen ist diese Szene sowohl national als auch international stärker vernetzt. Auch von dieser Abenteuerlust zwischen Stendal und Dessau wollen wir in Berlin erzählen.

Die Ausstellung »Beautiful Mind. Ein Schmuckstück für Cranach« läuft vom 20. Mai bis 28. August im Kunstgewerbemuseum am Kulturforum.

Brosche von Bettina Dittlmann: o. T., 2012; Foto: Rene Arnold
Brosche von Bettina Dittlmann: o. T., 2012; Foto: Rene Arnold
Josefine von Hensle; Foto: Rene Arnold
Josefine von Hensle; Foto: Rene Arnold
Halsschmuck von Svenja John: Wittenberg 2014, 2014; Foto: Rene Arnold
Halsschmuck von Svenja John: Wittenberg 2014, 2014; Foto: Rene Arnold
Halsschmuck von Mareen Alburg Duncker: für Eva, 2014; Foto: Rene Arnold
Halsschmuck von Mareen Alburg Duncker: für Eva, 2014; Foto: Rene Arnold
Halsschmuck von Dorothea Prühl: Kragen, 2014; Foto: Rene Arnold
Halsschmuck von Dorothea Prühl: Kragen, 2014; Foto: Rene Arnold

ZEDIKUM auf der Museumsinsel: Ein Streifenlichtscanner holt die Antike ins digitale Zeitalter

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Auf der Museumsinsel werden derzeit die archäologischen Bestände digital gescannt. Wir sprachen mit der erfahrenen Vermessungsingenieurin Fanet Göttlich und schauten ihr bei der Dokumentationsarbeit über die Schulter.

Über eine Million archäologische Objekte aus 12 Jahrtausenden finden sich auf der Museumsinsel. Ein neues Forschungsprojekt, initiiert vom Vorderasiatischen Museum, befördert dieses unvergleichbare Kulturerbe jetzt ins digitale Zeitalter: ZEDIKUM (Deutsches Zentrum für Digitale Kulturgüter in Museen). Der Verbund der fünf archäologischen Museen auf der Mueseumsinsel will über neue Verfahren 3D-Objektdaten gewinnen, aber auch die Möglichkeiten der Speicherung dieses neuen Wissens untersuchen. Das Forschungsprojekt wird aus Mitteln der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien finanziert und vom Direktor des Vorderasiatischen Museums, Markus Hilgert, koordiniert.
In diesem Rahmen sollen auch die wichtigsten Stücke der Museumsinsel eingescannt werden. Diesen Bereich des Projekts verantwortet Fanet Göttlich. Seit 10 Jahren ist die Vermessungsingenieurin schon in der dreidimensionalen Dokumentation tätig. Wir haben sie bei ihrer Arbeit begleitet.

Frau Göttlich, Sie arbeiten im Archäologischen Zentrum an einem Streifenlicht-Scanner. Wie funktioniert er?
Der Scanner besteht aus zwei Kameras links und rechts und einem Projektor in der Mitte. Der Projektor wirft Licht streifenförmig auf ein Objekt, zum Beispiel ein antikes Siegel: daher der Name „Streifenlichtscanner“. Ist ein Objekt dreidimensional, verzerrt es diese Lichtstreifen je nach seiner Form. Die Kameras machen Fotos dieses einzigartigen Streifenmusters. Das Objekt rotiert dabei auf einem Drehtisch, der Scanner nimmt es bei jeder Position auf. Mit verschiedenen Berechnungsmethoden – dem Triangulationsverfahren, dem codierten Lichtansatz sowie der Lichtschnitt- und Phasenshiftverfahren – können wir daraus eine dreidimensionale Punktwolke generieren. Über diese virtuelle Oberfläche werden dann die zusätzlich gemachten Fotos gemappt. Ergebnis ist ein hochaufgelöstes texturiertes 3D-Oberflächenmodell.

Wie groß können die Objekte sein, die Sie scannen?
Wir können hier Bereiche von bis zu einem Meter erfassen. Theoretisch kann man die daraus entstehenden Scans kombinieren und noch weit größere Objekte erfassen. Aber auch winzig kleine Objekte im Zentimeterbereich sind möglich. Die Auflösung des Scanners liegt dabei im Mikrometer-Bereich.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie bei Ihrer Arbeit?
Wenn ein Objekt größer als einen Meter ist und mehrere Scans kombiniert werden müssen, erschwert das natürlich den Scanvorgang. Außerdem ist die Oberflächenbeschaffenheit extrem wichtig: Glatte Oberflächen können wir besser ausleuchten als stark reliefierte. Das Objekt sollte weder das Licht „schlucken“, wie das bei sehr dunklen Oberflächen der Fall sein kann, noch zu stark reflektieren. Der „Berliner Goldhut“ im Museum für Vor- und Frühgeschichte ist ein Beispiel dafür: Seine Oberfläche ist aus Gold und glänzt daher stark. Zusätzlich kann man sein Inneres sehr schwer ablichten. Der Schaft wäre zu schmal, um ihn mithilfe des Scanners auszuleuchten und aufzunehmen. In so einer Situation müssen wir auf andere Verfahren zurückgreifen, zum Beispiel die photogrammetrische Methode „structure from motion“ und dafür vielleicht mit einer kleinen medizinische Kamera in den Hut hineinreichen.

Wie profitiert die Wissenschaft von ZEDIKUM?
An einem Scan können verschiedene Aspekte eines Objekts sichtbar gemacht und besser erforscht werden. Bei reliefierten Gegenständen können wir etwa die Textur ausblenden, was das Lesen vereinfacht. Rollsiegel sind dafür gute Beispiele: Auf ihnen finden sich sehr viele Informationen die aber viel besser sichtbar werden, wenn man das Siegel auf einem weichen Grund abrollt. Durch die Digitalisierung können wir jetzt per Scan „abrollen“ und das antike Original wird geschont. Durch unterschiedliche Algorithmen und Darstellungsweisen der Oberfläche des 3D-Modells kann man zudem den Herstellungsprozess sichtbar machen. Archäologen können dadurch einschätzen, ob es sich um Original oder Fälschung handelt.
Durch die Digitalisierung ist es außerdem möglich, Objekte digital „aufzuschneiden“, ohne dass das Original angerührt wird. Forscher auf der ganzen Welt können auf digitalisierte Schriften und Kulturgüter zugreifen, auch wenn sie sich in unterschiedlichen Sammlungen befinden – Zusammenhänge sind so neu erschließbar.

Kommt das Projekt auch dem Museumsbesucher zugute?
Das ist auch ein Ziel von ZEDIKUM. Wir stellen uns interaktive Angebote vor, aber auch „augmented“ und „virtual reality“ sollen in den neuen Konzepten umgesetzt werden. Probemodelle dafür existieren bereits. Stellen Sie sich einen virtuellen Rundgang durch das antike Babylon vor – oder exakte 3D-Drucke von antiken Statuen, die man aus dem Museumsshop dann mit nach Hause nehmen kann!

Eine Mitarbeiterin des Deutschen Zentrum für Digitale Kulturgüter in Museen (ZEDIKUM) digitalisiert eine Tontafel mithilfe eines Streifenlichtscanners. ZEDIKUM entwickelt Verfahren und Methoden für die digitale Sicherung und Dokumentation von archäologischen Sammlungsobjekten, um neue Grundlagen für die Erforschung, den Kulturgutschutz, aber auch für webbasierte Vermittlungsmethoden zu schaffen. © SPK / photothek.net / Thomas Imo
Eine Mitarbeiterin des Deutschen Zentrum für Digitale Kulturgüter in Museen (ZEDIKUM) digitalisiert eine Tontafel mithilfe eines Streifenlichtscanners. ZEDIKUM entwickelt Verfahren und Methoden für die digitale Sicherung und Dokumentation von archäologischen Sammlungsobjekten, um neue Grundlagen für die Erforschung, den Kulturgutschutz, aber auch für webbasierte Vermittlungsmethoden zu schaffen. © SPK / photothek.net / Thomas Imo
ZEDIKUM ermöglicht die Nachnutzung digitaler Daten für neuartige Vermittlungsformate im Museum. Augmented reality-Anwendung etwa holen Informationen zum Kontext eines Objekts auf das Smartphone des Besuchers. © SPK / photothek.net / Thomas Imo
ZEDIKUM ermöglicht die Nachnutzung digitaler Daten für neuartige Vermittlungsformate im Museum. Augmented reality-Anwendung etwa holen Informationen zum Kontext eines Objekts auf das Smartphone des Besuchers. © SPK / photothek.net / Thomas Imo
Das Projekt entwickelt auch Technologien, die ein mobiles, kostengünstiges 3D-Scannen ermöglichen sollen und in Krisengebieten zum Einsatz kommen können. © SPK / photothek.net / Thomas Imo
Das Projekt entwickelt auch Technologien, die ein mobiles, kostengünstiges 3D-Scannen ermöglichen sollen und in Krisengebieten zum Einsatz kommen können. © SPK / photothek.net / Thomas Imo
Der Streifenlichtscanner von ZEDIKUM im Einsatz. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum
Der Streifenlichtscanner von ZEDIKUM im Einsatz. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum

Zehnerpack: 10 Plakate ohne große Worte

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Die Ausstellungsreihe “100 beste Plakate” in der Kunstbibliothek präsentiert einmal jährlich eine Auswahl an Grafikdesign und Plakatkunst aus dem deutschsprachigen Raum. Wir präsentieren euch 10 Plakate, die ohne große Worte auskommen. Nummer 4 enthält einen Kanister.

1. Bunte Streifenlandschaft

Timo Lenzen: Striped Hills (c) Timo Lenzen / 100 Beste Plakate e. V.
Timo Lenzen: Striped Hills (c) Timo Lenzen / 100 Beste Plakate e. V.

Hierbei handelt es sich nicht um eine Imagekampagne für psychedelische Landschaftsgärtnerei oder den Brandenburgischen Hügelwanderverein.
Timo Lenzen (Frankfurt am Main) gestaltete das abstrakte Werbeplakat „Striped Hills“ für den Auftraggeber Durex China, Shanghai. Beworben wird das Produkt »Pleasure Gel« der Marke Durex für den chinesischen Markt – wer genau hinsieht, erkennt auch die wahre Natur der Hügellandschaft …

2. Frau in Rot

Fons Hickmann: "2. Juni 1967" (c) Fons Hickmann / 100 Beste Plakate e. V.
Fons Hickmann: “2. Juni 1967″ (c) Fons Hickmann / 100 Beste Plakate e. V.

Was auf den ersten Blick wie ein avantgardistisches Theaterplakat wirkt, hat in Wirklichkeit einen historischen Hintergrund. Geschichtsfreaks können mit dem Datum 2. Juni 1967 vielleicht etwas anfangen, allen anderen helfen wir auf die Sprünge:
Der Beitrag von Fons Hickmann (Berlin) wurde für die Londoner Ausstellung »Bring the War Home« konzipiert. Designer und Künstler wurden eingeladen, ein Plakat zu einer Terror-Organisation aus ihrem Land zu gestalten. Das Plakat »2. Juni 67« zeigt die trauernde Witwe Christa Ohnesorg, deren Mann Benno Ohnesorg an besagtem Tag am Rande einer Demonstration von einem Polizisten erschossen wurde. In der Folge radikalisierten sich viele Studenten und gründeten die linksextremistische Terrorgruppe „Bewegung 2. Juni“, deren Mitglieder später wiederum in die Gründung der Roten Armee Fraktion involviert waren.

3. Linien am Horizont

Mario Moths: "Lampedusa" (c) Mario Moths (mm design) / 100 Beste Plakate e. V.
Mario Moths: “Lampedusa” (c) Mario Moths (mm design) / 100 Beste Plakate e. V.

Das Plakat „Lampedusa“ von Mario Moths (mm design, Marl) sieht schöner aus, als sein Anlass ist:
Zehntausende von Flüchtlingen machen sich auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa. In den letzten Jahren ist die Zahl der Boat-People stark angestiegen und mit ihr auch die Zahl der ertrunkenen Flüchtlinge. Das »SOS«-Zeichen am Horizont des Mittelmeers ist Hilferuf und Hoffnungsträger gleichermaßen und fordert zur Unterstützung auf.

4. Kommunikation mit Kanister

Benjamin Wurster: „Dünger für Gestalter“ (c) Benjamin Wurster / 100 Beste Plakate e. V.
Benjamin Wurster: „Dünger für Gestalter“ (c) Benjamin Wurster / 100 Beste Plakate e. V.

Ob subtile Kritik an der Agrarökonomie oder ein Seitenhieb auf‘s Industriedesign bei diesem Plakatmotiv mit hineinspielen, wissen wir nicht – nur so viel: Der Entwurf von Benjamin Wurster (Gärtringen) mit dem Titel „Dünger für Gestalter“ war ein Projektauftrag an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und kündigt mehrere Designvorträge ebendort an.

5. Klare Besitzverhältnisse

Steffen Knöll: Griechenlands neuer Eigentümer (c) Steffen Knöll / 100 Beste Plakate e.V.
Steffen Knöll: Griechenlands neuer Eigentümer (c) Steffen Knöll / 100 Beste Plakate e.V.

Wenig subtil, dafür umso wirkungsvoller äußert Steffen Knöll (Stuttgart) seine Kritik an der Europäischen Finanzkrise und der Situation Griechenlands. Das Plakat „Griechenlands neuer Eigentümer“ entstand aus Eigeninitiative in den Druckwerkstätten der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und wurde als politisches Statement „wild“ plakatiert.

6. Auf dem Schlauch

Ben El Halawany: I've got Hose (c) Ben El Halawany  / 100 Beste Plakate e.V.
Ben El Halawany: I’ve got Hose (c) Ben El Halawany / 100 Beste Plakate e.V.

Bei diesem Motiv steht man nicht lange auf dem Schlauch: Ben El Halawany (Stuttgart) setzt sich mit seiner Arbeit „I’ve Got Hose“, einem Projektauftrag an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, mit dem Thema Wasser auseinander:
„Was passiert wenn wir den Hahn aufdrehen? Anlässlich der Einführung des wasserbasierten Siebdrucks an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart wurden Plakate zum Thema »Wasser« gestaltet und anschließend in der Ausstellung »DETOX« gezeigt.“

7. Spiel mit dem Feuer

Lex Drewinski: Spiel mit dem Feuer (c) Lex Drewinski  / 100 Beste Plakate e.V.
Lex Drewinski: Spiel mit dem Feuer (c) Lex Drewinski / 100 Beste Plakate e.V.

Noch ein politisches Statement, das ohne viele Worte auskommt: Lex Drewinski (Falkensee bei Berlin) bezieht mit seinem Plakat „Spiel mit dem Feuer“ zu den Ereignissen an der türkisch-syrischen Grenze Stellung, welche zu einem immer noch aktuellen Konflikt zwischen Russland und der Türkei führten.

8. Stein des Anstoßes

Malwin Béla Hürkey: Small Cause (c) Malwin Béla Hürkey / 100 Beste Plakate e.V.
Malwin Béla Hürkey: Small Cause (c) Malwin Béla Hürkey / 100 Beste Plakate e.V.

Das Gesetz von Ursache und Wirkung in Aktion: Ursache war in diesem Fall eine sechsmonatige Praktikumsphase der Kommunikationsdesign-Studierenden der Hochschule RheinMain, Wirkung die „Nachhall“-Ausstellung, in der die daraus entstandenen Plakate gezeigt wurden. Mit dabei war unter anderem diese Arbeit mit dem Titel „Small Cause“ von Malwin Béla Hürkey (Wiesbaden).

9. Red Skies over Paradise

Martin Geel und Klaus Fromherz: KKL Luzern (c) Martin Geel und Klaus Fromherz (Peng Peng) / 100 Beste Plakate e.V-
Martin Geel und Klaus Fromherz: KKL Luzern (c) Martin Geel und Klaus Fromherz (Peng Peng) / 100 Beste Plakate e.V-

Karibik? Südsee? Weit gefehlt! Dieser romantische rote Himmel gehört tatsächlich zur Schweiz. Martin Geel und Klaus Fromherz (Peng Peng, Luzern) verewigen in ihrem Plakat das Kulturzentrum KKL Luzern. Der Entwurf wurde als Beitrag zur Initiative des Vereins Weltformat für neue Plakate zu touristischen Zielen in der Zentralschweiz eingereicht. Das Plakat wurde gemeinsam mit allen im Rahmen der Initiative entstandenen Plakaten im Verkehrshaus Luzern gezeigt.

10. schwarz-weiße Kontraste

Ivan Weiss und Michael Kryenbühl: "Migration und Flucht" (c) Ivan Weiss, Michael Kryenbühl (Johnson / Kingston, Luzern) /100 Beste Plakate e. V.
Ivan Weiss und Michael Kryenbühl: “Migration und Flucht” (c) Ivan Weiss, Michael Kryenbühl (Johnson / Kingston, Luzern) /100 Beste Plakate e. V.

Ivan Weiss und Michael Kryenbühl (Johnson / Kingston, Luzern) setzen sich in ihrem eindrücklichen Plakat mit dem Thema Migration und Flucht auseinander: „Es ist höchste Zeit, dass Plakatkünstlerinnen und Plakatkünstler ein starkes Zeichen für eine offene und solidarische Gesellschaft setzen. Aus aktuellem Anlass haben Yannick Gauch und Andrin Stocker im Rahmen des Plakatfestivals Weltformat eine Sonderausstellung zum Thema »Migration und Flucht« auf die Beine gestellt, für welche Grafikerinnen und Grafiker ein Plakat zur Thematik gestalteten. Unser Plakat thematisiert das zunehmend groteske Nebeneinander von Freud und Leid, Arm und Reich, Flucht und Alltagsflucht.“

Die Reihe “100 Beste Plakate” wird vom 100 Beste Plakate e.V. ausgerichtet. Die 15. Ausgabe findet vom 17. bis 26. Juni 2016 im Kulturforum statt, ab der Eröffnung werden alle 100 Plakate online vorgestellt. Nach der Auftaktausstellung in Berlin wird die Ausstellung in Wien, Nürnberg, La Chaux de Fonds, Luzern, Dornbirn, Essen und Seoul gezeigt.

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